Die Ampelkoalition - ein Spiegelbild der Gesellschaft; Bild: Collage
Die Ampelkoalition - ein Spiegelbild der Gesellschaft; Bild: Collage

Wer braucht schon Moskau für eine gesellschaftliche Spaltung, wenn es doch die Ampel gibt!

Es passt in die Erzählweise des linken Spektrums, dass nach der Fürsprache von Elon Musk hinsichtlich des Umgangs mit Martin Sellner und Björn Höcke im derzeitigen Inhaber von X wohl einen verkappten Rechten sieht, wenn es die Behauptung eines sich zunehmend von der Mitte wegbewegenden Mediums ständig wiederholt – und sich dabei des Beispringens eines für die Gängelung der Meinungsfreiheit ja mittlerweile schon wohlbekannten EU-Zensurkommissars sicher sein kann, dem Twitter seit jeher ein Dorn im Auge ist.

Von Dennis Riehle

Wie ein Leierkasten trägt man nahezu täglich vor, dass auf der Plattform eine Mentalität von Hass und Hetze vorherrsche. Doch fragt man all diejenigen Nutzer, die bereits seit längerem dort angemeldet sind und sich nicht in einer woken Blase befinden, erhält man merkwürdigerweise die Antwort, dass sich die verbalen Entgleisungen, die pöbelnden Beleidigungen und die juvenile Stumpfsinnigkeit von über ihr inhärentes Versagen frustrierten Usern weder in der jüngeren noch älteren Vergangenheit deutlich verändert oder gar fortwährend zugenommen habe. Es scheint also nicht unbedingt eine sinkende Hemmschwelle zu sein, die noch sehr viel früher zu böswilligen oder stupiden Kommentaren ermutigt. Stattdessen dürfte die hypersensible Bevölkerungskohorte der „Mimimimi“-schreienden “Ich fühle mich diskriminiert”-Warmduscher die Latte dessen, was sie als zumutbar und erträglich ansieht, immer tiefer ansetzen. Da wird bei Bedarf jedes Posting gemeldet, welches man bewusst als Angriff auf die Person missversteht – und es nicht in objektiver Manier als einen inhaltlichen Widerspruch begreift. Offensichtliche Werturteile werden als Verleumdung interpretiert. Und der Überprüfung zugängliche Wahrheiten und Fakten als üble Nachrede etikettiert.

Natürlich ist die Anonymität des Netzes ein Grund dafür, dass die Finger zum Tippen heute lockerer sitzen als früher das Mundwerk, als man dem Gegenüber seine Auffassung noch direkt ins Gesicht sagen musste. Gleichzeitig entlarvt sich aber auch die Tatsache, dass es vor allem diejenigen sind, die am Samstag auf der Demonstration für Demokratie protestieren – und am Montag bei der Staatsanwaltschaft vorsprechen, weil man ihnen den Spiegel ihrer Doppelmoral vorgehalten hat. In einer Gesellschaft, die sich mittlerweile vor allem durch Gefühl, Empfindung und Wahrnehmung definiert – und gegebenenfalls auch dazu bereit scheint, den gemeinschaftlichen Konsens darüber aufzugeben, was strafbar und biologisch unverrückbar ist, entledigt sich nicht nur jeder kollektiven Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Sondern sie öffnet Tür und Tor für Spaltung, Polarisierung und Entfremdung. Denn die Deutungshoheit über bestimmte Definitionen obliegt nicht mehr dem mehrheitlichen Souverän, sondern beispielsweise Behörden wie dem Verfassungsschutz, der auf ein Informationsmonopol eingeebneten Systempresse oder Bürokraten in Brüssel. Um die ideologische Auseinandersetzung über Sachthemen massiv zu erschweren – und somit von einer Befassung mit den Versäumnissen des Establishments abzulenken, ist es der mittlerweile inflationär gebrauchte Terminus der Desinformation, der bereits in seiner Wortschöpfung einigermaßen eigentümlich anmutet. Denn natürlich kann der Absender einer Nachricht, Schlagzeile oder Veröffentlichung bewusst unkorrekte Aussagen treffen – um damit den Empfänger zu irritieren, zu manipulieren oder zu instrumentalisieren. Doch es obliegt dem Konsumenten, grundsätzlich jede Behauptung aus proaktivem Zutun auf ihre Konsistenz hinzu überprüfen.

Dass eine grundlegende Skepsis, Distanz und Kritik an jeglicher Verlautbarung aus dem Munde des heutigen Haltungsjournalismus ebenso angezeigt ist wie bei allen Feststellungen von in ihrem Eifer der Unterredung vor Mitteilungsbedürfnis nur so strotzenden Privatpersonen oder Parteien, das hat uns nicht erst die sogenannte Berichterstattung eines Recherchezentrums namens „Correctiv“ gelehrt, welches uns unter anderem die Brisanz eines relativ belanglosen Zusammentreffens von Vertretern der Alternative für Deutschland, der „WerteUnion“, der Identitären und der Wirtschaft am Lehnitzsee verdeutlichen wollte – aus dem am Ende durch Übertreibung, Zuspitzung und bloßer Lüge mit der “Wannseekonferenz 2.0” genau das wurde, was man als Falschmeldung bezeichnet. Auch nach dem TV-Duell der beiden thüringischen Spitzenkandidaten war es die CDU, die mit nahezu dilettantischen Posts um die Deutungshoheit des Fernsehspektakels rang – und sich dabei der primitivsten Form der Märchenerzählung bediente, indem sie den Zitaten des AfD-Vertreters ihre völlig haltlose und substanzfreie Lesart derselbigen gegenüberstellte – und sich damit selbst der Fabelei überführte. Die Erdichtung von als Gegebenheit und Realität dargestelltem Dafürhalten und Gutdünken ist also vor allem das Werkzeug eines um den Machterhalt ringenden und vor dem Kontrollverlust stehenden Kartells, das Perspektiven und Gesinnungen in seiner wachsamen Manier als (politische) Korrektheit beschriftet – und sich damit im Besitz und der Verteidigung der Diskurshoheit wähnt. Dass Russland wahrlich kein Bedarf daran hat, durch bezahlte und ideelle Sprachrohre in Europa für Stimmung gegen die Regierenden zu sorgen, dürfte sich schon allein aus dem Können zur eigenständigen Demontage der herrschenden Klasse in der Bundesrepublik ergeben.

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