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200 Maulwürfe unterm Bundestag – ein Krimi

Diese pousierlichen Tierchen, allen bekannt, deren Rasen darunter leidet, wurden, was heute allerdings verboten ist, stets mit vielerlei Tricks aus dem Garten vertrieben. Heute aber gehen ganz andere Maulwürfe in Berlin in die Abendschule, um nach bestandener Prüfung und getarnt als Maulwurf, sich fürstlich wie Judas bezahlen zu lassen. Werfen wir jetzt einen Blick in ein Büro eines MdB, der nach Spionen sucht.


Gastbeitrag von Meinrad Müller

Im abendlichen Halbdunkel seines spartanisch eingerichteten Abgeordnetenbüros, das mit dem stechendem Geruch billigen Kaffees und dem leisen Summen von Elektronik erfüllt ist, braut sich ein Sturm zusammen. Ein Mann, der Chef, thront hinter seinem Schreibtisch – eine Bastion in einem Meer aus Papieren, umgeben von schon schiefen Bücherregalen. “Leute, diese Schubladen kann man auch mit einem Schraubenzieher knacken!”, donnert er, während er an einem Bonbon kaut, als wäre es der letzte in dieser verrückten Stadt.

In einer Ecke, versunken in die Tiefen eines Aktenberes, versucht der Rastalockenmann, in der Menge zu verschwinden. “Nicht ich, Mann. Ich bin clean”, murmelt er mehr zu sich selbst, während seine gelben Finger über die klapperige Tastatur stolpern. “Tigerchen”, die mit einem Stapel Post hereinstöckelt, wie eine Königin, die ihre Runde macht, zieht die Blicke auf sich. Ihr Rock im Fellmuster blitzt auf, während sie die Brille kess auf der Nase balanciert. Ein Schweigen legt sich über den Raum – ein Sturm ist im Anzug.

“Und, wer hat’s verpatzt?”, zischt der Chef, seine Augen scannen den Raum, jeder ein Verdächtiger, jeder ein Rätsel. “Ich kenn’ euch doch, ich liebe euch doch alle.“ Plötzlich, eine Unterbrechung, ein unerwarteter Besucher – der lange Dürre, wird zum ein Schatten am Besprechungstisch. “Chef, ich bin doch kein Maulwurf”, keucht er, eine Fassade aus Unschuld um sich bauend.

Doch die Stimmung ist bereits gekippt, Misstrauen nistet sich ein, ein Gift, das langsam seine Wirkung entfaltet. “Ihr Gestalten aus dem Prenzlauer Berg, mit Tattoos im Gesicht und Pullovern, die nach Cannabis riechen… Unzuverlässig, sag’ ich euch”, grummelt der Chef, während er eine imaginäre Liste von Sünden und Sündern abhakt.

Dann, ein Moment der Unachtsamkeit. Der MdB, mit einer Lässigkeit, die nicht von dieser Welt zu sein scheint, lehnt sich zurück und schwingt seinen Armani Anzug samt Füßen auf den Schreibtisch. Ein unbedachter Schwung, ein umgestoßener Kaffeebecher, Chaos auf dem Schreibtisch. “Merde”, entfährt es ihm, ein französisches Wort, das durch den Raum schneidet wie ein Messer durch Butter. Stille. Ein Wort, ein Hinweis, vielleicht der Schlüssel zum ganzen Rätsel. “Ist er der Maulwurf?”, huscht es durch die Gedanken, während der Kaffee sich seinen Weg bahnt. “Merde, wirklich?”, spottet Tigerchen, während sie einen skeptischen Blick auf den Chef wirft. “Vielleicht bist du ja der verkappte Agent, der sich unter uns versteckt.”

Der Chef, nun aufgestört aus seinem politischen Traum, richtet sich auf. “Ihr wollt einen Maulwurf? Dann sucht doch!”, faucht er, während er sich mürrisch die Kravatte lockert, ein Mann bereit, seine Unschuld zu verteidigen. Das Wort “merde” hallt nach, ein Echo, das sich in zwei Minuten seinen Weg zur Fraktionsspitze bahnen wird. Wer ist der Maulwurf? Die Antwort wird spontan komplizierter. Der Kollege mit der Baskenmütze öffnet ohne anzuklopfen die Tür, um sich wie jeden Abend zu verabschieden mit „Bonne soirée“.

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