Seit August 2022 hatte Karl Lauterbach das Medikament Paxlovid als regelrechtes “Wundermittel” gegen Corona angepriesen. Bei Ärzten bestand von Anfang an erhebliche Skepsis gegen die von Lauterbach geforderte Massenverschreibung der Medizin und auch der größte Teil der Bürger fiel zu ihrem Glück nicht mehr auf sein Geschwätz herein. Mittlerweile ist der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zu dem Schluss gekommen, dass Mediziner „trotz der Hinweise in Fachinformationen möglicherweise nicht ausreichend über die Gefahren“ von Paxlovid informiert seien. Lauterbach kümmerte das alles natürlich nicht.
Er ließ gleich eine Million Packungen des Pfizer-Produkts anschaffen – mit dem logischen Effekt, dass er nun darauf sitzenbleibt, weil es längst abgelaufen ist und nur etwas mehr als die Hälfte der Packungen ausgeliefert wurden. Nun lagern 430.000 Packungen im Wert von mindestens 280 Millionen Euro in den Beständen des Bundes und der Apotheken. Doch anstatt seinen Fehler einzusehen, geschweige denn einzugestehen oder gar endlich zurückzutreten, lässt er das Haltbarkeitsdatum einfach immer weiter verlängern, um die Vernichtung zu vermeiden – zunächst von einem Jahr auf 18 Monate, dann auf zwei Jahre.
Dies ruft nun sogar den Hersteller Pfizer auf den Plan, wie die „Welt“ berichtet. Der Konzern warnte nicht nur Lauterbachs Ministerium vor diesem Schritt, sondern schrieb sogar die deutsche Ärzteschaft direkt an. „Ich wende mich an Sie, um Ihnen unsere Besorgnis über das Vorgehen des Ministeriums auszudrücken“, schrieb die Vorsitzende von Pfizer Deutschland, Sabine Gilliam, an den Vorsitzenden des Hausärzteverbands Markus Beier.
Sogar Pfizer zeigt sich besorgt
Nach „umfangreicher Bewertung“ sei man zu dem Schluss gekommen, „dass es weder in Deutschland noch in einem anderen Land wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die eine Verlängerung der Haltbarkeitsdauer von Paxlovid über 24 Monate hinaus unterstützen“. Zudem befürchte man, dass die Verwendung von abgelaufenen Beständen das Vertrauen der Patienten in das Produkt und die etablierten Zulassungsverfahren nachhaltig untergrabe, so Gilliam weiter. Selbst Lauterbachs Herren und Meister aus der Pharmaindustrie stellen sich nun also gegen ihn. Aus dem Gesundheitsministerium hieß es dazu nur, die Abstimmungen zum weiteren Umgang mit den vom Bund beschafften Paxlovid-Dosen seien noch nicht abgeschlossen.
Pfizer besteht darauf, dass eine Verlängerung der Haltbarkeit allein in seiner Verantwortung liege. Gegenüber „Welt“ erklärten Bernd Mühlbauer, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie am Klinikum Bremen und Jörg Breitkreuz, Direktor des Instituts für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Uni Düsseldorf jedoch, dass es letztlich ausschließlich den Aufsichtsbehörden, konkret: dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) obliege, über die Haltbarkeit zu entscheiden.
Lauterbachs Long-Covid-Neurose soll alles rechtfertigen
Trotz aller Vorbehalte von Experten tat Lauterbach alles, um seine Paxlovid-Vorräte unter die Leute zu bringen – allerdings mit überschaubarem Erfolg. Noch im September hatte er gefordert: „Long-Covid-Patienten sollen so schnell wie möglich einen erleichterten Zugang zu dem Arzneimittel erhalten.“ Zwar sei Paxlovid für Long-Covid-Patienten gar nicht zugelassen, gestand er selbst ein, doch der Einsatz im „Off-Label-Use“ solle rasch geprüft werden. Kurz darauf erklärten Wissenschaftler der University of Washington, dass das Mittel „nicht vor Long Covid schützt und auch die Symptome der Patienten nicht lindert“. Lauterbach war also wieder einmal bereit, den Menschen ein nicht nur unwirksames, sondern potentiell sogar gefährliches Medikament aufzuzwingen.
Wenn er mit seinen Plänen zur neuerlichen Verlängerung der Haltbarkeit scheitert, müssen die Paxlovid-Bestände des Ministeriums als Sondermüll entsorgt werden. Hinzu kommen noch Tausende Packungen in den Apotheken. Thomas Preis, Vorstand des Apothekerverbands Nordrhein, erklärte, die Apotheken würden erwarten, dass der Bund die Packungen zurückkaufe. Er hofft auf eine Verlängerung der Haltbarkeitsfrist: „Schließlich konnte das Mittel noch im Februar für 59,90 Euro abgegeben werden. Die neuen Packungen kosten jetzt 1149,19 Euro“, so Preis weiter. Dies erklärt auch das plötzliche Eingreifen von Pfizer, das bislang wahrlich nicht durch seinen ausgeprägten moralischen Kompass aufgefallen ist. Es ist nicht die Sorgen um die Verlängerung der Ablauffrist, die das Unternehmen umtreibt, sondern -wie immer- der Wunsch, neue, wesentlich teurere Packungen seines, wieder einmal umstrittenen Erzeugnisses zu verkaufen. (TPL)