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Der Krieg heißt Wa(h)lbeeinflussung

Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“, diese Weisheit verdanken wir 1945 Walter Ulbricht, dem späteren Chef der SED. Könnte es sein, dass dieses ‚in der Hand haben‘, heute so allgegenwärtig ist, dass wir nichts mehr dagegen ausrichten können?

Gastbeitrag von Meinrad Müller


Tauchen wir ein in den bereits laufenden Wahlzirkus, in dem die Kunst der Wählerbeeinflussung mehr Blüten treibt als der Botanische Garten im Frühling. Und das Verführerische daran ist, dass wir nicht mitkriegen dürfen, wie wir wie Ochsen am Nasenring geführt werden.

Lügen wie gedruckt“ sagt man bereits seit 1450, als der Buchdruck entstand. Man wollte schon damals nicht alles glauben, nur weil es in Büchern oder auf Flugblättern stand. Betrachten wir deshalb zunächst die ehrenwerten Pressehäuser, die angeblichen Leuchttürme der Wahrheit. Hier werden Geschichten nicht nur geschrieben, sondern sorgfältig gewoben – mit einem Faden aus Gold, gesponnen aus den Anzeigenaufträgen, die wie Manna vom Himmel der Regierung fallen. Doch wehe dem Schreiberling, der die Melodie nicht trifft. Ein falscher Ton, und aus dem Schreiberling wird ein Kunde beim Jobcenter. Der Wahlkampf, von ganz oben gesteuert, wird uns als unschuldige Geschichte verkauft.

Draußen in der freien Wildbahn, der nächste Akt: das mysteriöse Verschwinden von Wahlplakaten. Ein Phänomen, so regelmäßig und zuverlässig wie die Demokratie Ulbrichts. Kaum standen die freiwilligen Helfer auf der Leiter und banden die Plakate an – und schwupps waren zwei Stunden später die bunten Werbeplakate weg. Ein abgerissenes Wahlkampfplakat beeinflusst den Wähler ja auch, da er sich nur noch anhand jener, die nicht abgerissen wurden, informieren kann.

Doch die Wahlkampfmaschine geht wie ein Feldzug weiter! Betreten wir die Manege der mächtigen Verbände, die ihre Pauken schwingen und ihre Mitglieder im Takt der herrschenden Melodie marschieren lassen. Wer nicht im Gleichschritt marschiert, findet sich schnell im Abseits wieder, allein und ohne Orchester. Wer aus der Reihe tanzt, wird schnell zum Solo-Künstler ohne Publikum. Jedes Mitglied empfindet dies als Zwang und Korsett.

Unsere nächste Szene zeigt den tapferen Handwerksmeister, den Helden des Alltags, der es wagt, quer zu denken. Doch die Daumenschrauben der politischen Gunst lassen nicht lange auf sich warten. Keine staatlichen Aufträge mehr für den Abtrünnigen. Wo Meinungen unterdrückt werden, da werden auch bald Köpfe unter Wasser gedrückt. Wahlkampfbeeinflussung mit Gewalt.

Stehen wir wie hilflos vor dem an Land gespülten Walfisch, den wir mit vereinten Kräften versuchen, wieder ins Meer zu bugsieren. Doch Vorsicht – der Walfisch ist ein schweres Tier, und er könnte beim Zurückschieben durchaus heftig spritzen.

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