Andrij Melnyk, Foto: Imago

Wirtschaftskrise? Melnyk hat die Lösung: Waffen für die Welt – Deutschland wird “Rüstungsgigant”

Die deutsche Industrie wandert ab, doch das macht ja nichts. Ex-Ukraine-Botschafter Andrij Melnyk weiß, wie es weitergeht für Deutschland: Mit dem Bau von Panzern und Raketen. Deutschland marschiert zusammen mit der Ukraine in eine glänzende Zukunft – als Waffenlieferant könne man in Zukunft “genauso viele Arbeitsplätze schaffen wie die Autoindustrie oder der Maschinenbau.“ 

Eigentlich wartet ab Herbst in Brasilien ein neuer Job als Botschafter auf den 47-jährigen Melnyk, doch der kann einfach seine Finger nicht von Deutschland lassen und schmiedet fleißig Pläne, falls es doch nichts wird mit seinem Job im Lula-Land. Er könne sich vorstellen, „in welcher Funktion auch immer weiter für die deutsch-ukrainischen Beziehungen zu arbeiten“, möglicherweise auch außerhalb des diplomatischen Dienstes, teilt er in einem Interview mit der Berliner Zeitung mit.

Wer dachte, den ukrainischen Kriegswaffenforderer endlich los zu sein,  wird eines besseren belehrt. Melnyk sieht für sich in Deutschland offenbar “gute Aussichten in der Rüstungsindustrie”. Er sei “sehr stolz, das es uns gelungen ist, einen Deal zwischen Rheinmetall und der ukrainischen Regierung zu begleiten, wonach eine gemeinsame Produktionsstätte in der Ukraine errichtet wird.“ Es geht immerhin um nicht weniger als  “um strategische Projekte für die Zeit nach dem Krieg”.

Der jetzige ukrainische Vizeaußenminister spinnt den Faden weiter: “Die Ukraine war vor dem Krieg immer unter den Top 15 der Rüstungsexporteure. Deutschland hat ebenfalls hervorragende Kapazitäten. Wir könnten diese Synergien nutzen, um Weltspitze zu werden und modernste Waffensysteme gemeinsam herzustellen. Einerseits muss die Ukraine massiv aufgerüstet werden, um genug Abschreckungspotenzial zu schaffen und somit neue – vielleicht noch schlimmere – Aggressionen Russlands zu verhindern. Andererseits könnten die Ukraine und Deutschland gemeinsam die gesamte Welt mit den besten Panzern und anderen Waffen beliefern. Das würde sowohl den strategischen Interessen unserer beiden Länder entsprechen als auch der deutschen Rüstungsindustrie einen riesigen Schub geben“, weiß der überaus fähige Jurist, Politiker und Diplomat.

“Kreative mutige Ideen verwirklichen und neue Ambition zeigen”, mehr braucht es seiner Meinung nach nicht, um Deutschland wieder auf die wirtschaftliche Erfolgsschiene zu setzen. Schließlich habe sich die Rheinmetall-Aktie seit dem Kriegsausbruch „fast verdreifacht“, was zeige, “daß wir die Unternehmenswerte steigern können”, so sind die von Melnyk ständig beklagten Kriegsopfer am Ende vielleicht doch nicht umsonst gestorben. Die Bedeutung der Rüstungsindustrie für Arbeitsplätze in Deutschland werde oft unterschätzt, klärt der “Waffen-Fan” uns auf.  In Zukunft könnte diese systemrelevante Branche, in der schon heute über 135.000 Beschäftigte 30 Milliarden Euro Wertschöpfung generieren, genauso viele Arbeitsplätze schaffen wie die Autoindustrie oder der Maschinenbau, schlussfolgert Melnyk in der Berliner Zeitung.

Am Ende seiner Vision für Deutschland als erfolgreicher Kriegswaffenproduzent macht der Super-Diplomat das, für das er hierzulande Ruhm erlangt hat. Er fordert. “Wir brauchen daher viel mehr Luftabwehr und Munition aus Deutschland, um den Himmel über ukrainischen Städten sicherer zu machen. Wir rufen den Kanzler auf, uns endlich auch Kampfjets wie Eurofighter und Marschflugkörper Taurus zu liefern.”

Da das mit dem Fordern so gut klappt, tritt Melnyks amtierender Nachfolger in seine Fußstapfen. Oleksij Makejew, ukrainischer Botschafter in Berlin, hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, die Aufnahme seines Landes in die Nato voranzutreiben. Er erwarte vom Nato-Gipfel, der am 11. und 12. Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius stattfindet, “klare Signale zur euroatlantischen Integration und zum zukünftigen Nato-Beitritt meines Landes”, sagte Makejew den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). Nur eine Mitgliedschaft in der Atlantischen Allianz könne Sicherheitsgarantien liefern.
Dabei erwarte die Ukraine “eine führende Rolle von unseren Verbündeten in Deutschland, wie sie es bereits bei der Bildung der Panzer-Koalition und der Luftabwehr gespielt haben”. Makejew lobte die beim G7-Gipfel in Hiroshima geschmiedete Koalition zur Lieferung von Kampfjets, ohne allerdings auf eine Beteiligung Deutschlands zu pochen. “Sobald ukrainische Piloten im ukrainischen Himmel mit F-16 sein werden, wird das einen Meilenstein in dem russischen Krieg sein”, sagte er.

“Wir danken unseren Partnern, vor allem Deutschland, für die Flugwehrabwehrsysteme wie IRIS-T, die im wahrsten Sinne des Wortes täglich die Leben der Ukrainer vor russischen Raketen schützen.” Damit grenzte sich Makejew zum wiederholten Mal von seinem Vorgänger Andrij Melnyk ab, der auf Twitter geschrieben hatte: “Die F-16 haben höchste Priorität. Aber die Kampfjet-Koalition, die gerade entsteht, kann auch Eurofighter und Tornados umfassen. Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien haben zusammen 500 dieser Jets. Zehn Prozent dieser Flotte für die Ukraine wären ein toller Anfang.” Tatsächlich ging es in der internationalen Debatte bislang hauptsächlich um die F-16. US-Präsident Joe Biden hat seinen Widerstand gegen deren Lieferung inzwischen aufgegeben und sich offen gezeigt für eine Exportgenehmigung – damit könnten andere Länder Jets aus ihren Beständen an die Ukraine liefern. Ob die USA eigene F-16 schicken, ist offen. (MS/dts)

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