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Bundespräsident Steinmeier entschuldigt sich in Tansania bei Sklavenhändler

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bei seinem Besuch in Tansania für die »Grausamkeit« der »deutschen Kolonialbesatzung« entschuldigt – ausgerechnet bei den Nachfahren eines blutrünstigen Kriegsherren und grausamen Sklavenhändlers.

Steinmeier besuchte am 1.11.2023 in Songea, Tansania die Gedenkstätte des »Maji-Maji-Aufstandes«  (Wasser-Wasser) 1906 und entschuldigte sich bei den Nachkommen des »berühmtesten Chiefs (sic) dieser Gegend«, Nduna Songea Mbano Luwafu, Anführer der Ngoni. Steinmeier nannte diesen einen »tapferen Anführer«, der »seine Leute in den Kampf gegen die deutschen Kolonialherren« führte, die Ostafrika angeblich »mit grausamer Härte beherrschten.« Laut Steinmeier war Häuptling Songea, den die Deutschen im Februar 1906 hängten, »mutig« und »ein Mann von großem Einfluss«.

Steinmeier betonte, dass »wir in Deutschland« über die deutsche Kolonialgeschichte »zu wenig wissen« und dass er nach Songea gekommen sei, »um diese Geschichte mit mir nach Deutschland zu nehmen, damit mehr Menschen in meinem Land von ihr erfahren.«

Dabei übersah Steinmeier – oder seine Redenschreiber und Protokollabteilung – offenbar, dass Songea Mbano und die Ngoni ein Stamm der blutrünstigen Sklaventreiber waren, die seit Jahrzehnten die anderen Völker von Tansania terrorisierten und sich schließlich 1905 gegen die Deutschen erhoben, als diese den Sklavenhandel abschaffen wollten.

»Der Deutsche Bundespräsident hat sich hinter die Ngoni-Warlords und arabischen Sklavenhändler gestellt, die 1905 versuchten, die deutsche Kolonialherrschaft gewaltsam abzuwerfen, weil die Deutschen ihnen den Sklavenhandel verbieten wollten. Die Deutschen genossen für die Niederschlagung des Aufstands breite Unterstützung vor Ort – die Maji-Maji-Rebellen dagegen nicht«, so der Politologe Prof. Bruce Gilley auf Twitter/X.

Die Deutsche Welle und andere Medien sprachen von 300.000 Todesopfern des Maji-Maji-Aufstandes. Gilley entgegnete, dass eher 75.000 gestorben seien. »Antikoloniale Forscher und tansanische Nationalisten« hätten diese Schätzung »um ein vielfaches erhöht, indem sie alle späteren Todesopfer an Hunger, Seuche und Stammeskonflikten dazuzählten, die nach der deutschen Niederschlagung des Aufstandes starben,« so Gilley. Die Zahl der Todesopfer hätte »nichts mit dem Vorgehen der Deutschen zu tun und alles mit der Taktik der verbrannten Erde der Kriegsherren und Sklavenhändler.«

In seinem Buch »Verteidigung des deutschen Kolonialismus« (Manuskriptum) nennt Gilley die deutsche Kolonie Ostafrika »die größte Erfolgsgeschichte der deutschen Kolonialzeit«, die Stabilität und Wohlstand in eine Region brachte, »die lange von inneren Konflikten und Sklavenhandel gebeutelt war. Die Deutschen genießen dort bis heute ein erstaunlich hohes Ansehen und Legitimität unter den Einheimischen.«

Die Deutschen hätten Eisenbahnen, Krankenhäuser, Schulen, Ernährungssicherheit und eine funktionierende Zivilverwaltung nach Ostafrika gebracht. Vor allem die Arbeit des Mediziners Robert Koch bei der Heilung der tödlichen Schlafkrankheit sei »eine der größten Errungenschaften und Krönung des gesamten europäischen kolonialen Projekts«, so Gilley. Kochs Leistung werde »sogar von den Feinden Deutschlands als Kulturleistung höchsten Grades anerkannt«, so die amerikanische Akademikerin Mary Townsend.

Laut der tansanischen Forscher Eginald Mihanjo, Studienleiter am Nationalen Verteidigungskolleg Tansania, und Oswald Masebo, Fakultätsleiter Geschichte an der Universität Dar-es-Salaam, waren die von Steinmeier hochgelobten Ngoni-Feldherrn »grausame Kriegstrieber, die vor der Ankunft der Deutschen hauptberuflich andere, schwächere Stämme plünderten und töteten.« Die Warlords der Ngoni wollten niemanden befreien, so Mihanjo und Masebo: »Das Aufkommen einer jungen Generation aus bekehrten Christen, westlich erzogene Jugendlichen, weitgereisten Händlern und befreiten Sklaven, die eine neue Zivilgesellschaft bildeten, war eine Herausforderung an ihre traditionelle Autorität.«

An der Bekämpfung des Maji-Maji-Aufstandes waren hauptsächlich einheimische Askari-Krieger beteiligt, da die deutsche Militärpräsenz in Deutsch-Ostafrika »winzig« war, so Prof. Gilley. »Sie bestand im Jahr 1913 aus genau 68 deutschen Offizieren, 134 deutschen und andern europäischen Soldaten, und 2472 einheimischen Soldaten.«

Die Todeszahlen, die der Aufstand forderte, waren deshalb so entsetzlich, weil die Voodoo-Medizinmänner den Kriegern weismachten, ihre Zauberformel Maji-Maji (»Wasser Wasser«) würde die Kugeln der Askari aufhalten. So schickten die Kriegsherren tausende Aufständische sinnlos in den Tod. »Die Verluste der Deutschen, überwiegend einheimische Freiwillige, betrugen nur einige hunderte«, so Gilley.

Auch nach der Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstandes waren die Deutschen in Tansania so beliebt, dass es beim Ausbruch des 1. Weltkrieges in Ostafrika »eine breite Welle der Unterstützung für die Deutschen« gab, so Gilley. Dabei stand »eine kleine, flexible Truppe von 5.000 Askari 130.000 englischen, indischen, belgischen, südafrikanischen und portugiesischen Truppen gegenüber.«

Das hohe Ansehen der Deutschen in Tansania führte zur sprichwörtlichen AskariTreue, als die kleine Kolonialtruppe nach dem Ende des 1. Weltkrieges am 11. 11. 1918 noch bis zum 23. 11. 1918 weiterkämpfte.

»Von der Kampftruppe, die vier Jahre lang die Briten in Atem gehalten hatte, verblieben genau 155 deutsche Offiziere, 1.200 Askari und 1.600 Träger. Bei ihrer Rückkehr nach Berlin im März 1919 marschierten 130 von ihnen als umjubelte Helden durchs Brandenburger Tor«, so Gilley.

Steinmeier erwähnte die Askari in Songea nicht.

 

»Verteidigung des deutschen Kolonialismus« von Bruce Gilley ist im Manuskriptum Verlag erschienen.

 

Zuerst veröffentlicht bei Freie Welt.

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