Rein in den Gaza und gut ist ? - Wahnsinn! (Foto: KrispelSlavin/Shuttertock)

“Hass & Hetze”: Auf keinen Fall eigene Gewißheiten infrage stellen lassen

Nicht nur die deutsche Linke liebt klare Frontverläufe. Bei einer Menge Konservativer ist es nicht anders. Das ist die ernüchternde Einsicht, der man sich seit dem 7. Oktober 2023 schwerlich entziehen kann. Wichtig scheint nicht zu sein, was ist, sondern wo man “steht” bzw. an wessen Seite man steht. Es gibt Tabuseiten. Auf denen steht man einfach nicht.

von Max Erdinger

Im Gazastreifen herrscht augenblicklich ein Waffenstillstand. Wie kommt’s? Hatte Netanyahu nicht vorvergangene Woche noch erklärt, es würde keinen geben? Hatte er nicht behauptet, es würde niemals zu Gesprächen mit der Hamas kommen? Heute haben wir beides: Waffenstillstand und Gespräche. Zwei Gründe: In den USA hängt Joe Biden und Anthony Blinken angesichts der Bilder von tausenden ermordeter Kinder im Gazastreifen der Vorwurf nach, sie unterstützten einen Völkermord und hätten ein blindes Auge für Kriegsverbrechen. Der hängt ihnen nicht nur in den USA nach. Nur können sie ihn dort am wenigsten gebrauchen. Der zweite Grund: Die USA haben die militärischen Kapazitäten nicht mehr, um Israel bedingungslos aus dem Schlamassel herauszuziehen, in den Netanyahu das Land hineinzureiten sich anschickte. Zahlreiche Länder haben die diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen – und in Europa fanden die Spanier die deutlichsten Worte für die Ungeheuerlichkeiten, die sich der israelische Staat im Gazastreifen herausnimmt. Die bedingungslosen “With-Israel-Stander” sind eine international isolierte Minderheit. Und zwar eine, nach Anzahl der Nationen gemessen, sehr kleine. Sie beschränkt sich auf die USA und die Servilsten unter ihren europäischen Vasallen. Es gibt einen Premierminister, den man aus vielerlei Gründen zum Teufel wünschen kann: Justin Trudeau in Kanada. Das ändert aber nichts daran, daß er zum Thema Gazastreifen die richtigen Worte gefunden hat. Und es bricht sich kein Konservativer einen Zacken aus der Krone, wenn er das zugibt. Trudeau hat sich an den international gültigen Definitionen für “Völkermord” und “Kriegsverbrechen” gehalten. Ob die Kritereien für “Völkermord” und “Kriegsverbrechen” erfüllt sind oder nicht, hängt keinesfalls an der Fage, wer als Täter und wer als Opfer in Betracht kommt.

Der 7. Oktober

Inzwischen wird auch im Detail immer deutlicher, was am 7. Oktober passiert ist, welche Propagandalawine unmittelbar danach losgetreten wurde – und vor allem, zu welchem Zweck. Es liegen nicht nur Zeugenaussagen von Überlebenden der bestialischen Terrorattacken vor, sondern auch welche von IDF-Soldaten. Die israelische Antwort auf die Terrorattacken folgten der sogenannten “Hannibal-Direktive”, benannt nach dem karthagischen Feldherrn Hannibal, der sich lieber selbst vergiftete als den Römern in die Hände zu fallen. Die “Hannibal-Direktive” ist eine israelische Strategie im Umgang mit Geiselnehmern. Es gilt: Lieber die Geiseln zusammen mit den Geiselnehmern auslöschen, als zu gestatten, daß die Geiseln “erfolgreich” verschleppt werden, um sie später als Instrument zur Freipressung von Palästinensern aus israelischen Gefängnissen zu verwenden. Das ist auch logisch. Würde sich bei den Terroristen gegen Israel die Geiselnahme als bewährtes Mittel zur Freipressung von Häftlingen bewähren, müssten sich die Israelis jeden Tag mit Geiselnahmen herumschlagen. So brutal die “Hannibal-Direktive” auch ist: Sie folgt aus israelischer Sicht einer zwingenden Logik. Die Geiselnahme als solche darf niemals zu einer erfolgversprechenden Strategie werden.

Es gilt daher, daß es bei der israelischen Gegenwehr auf den Terrorangriff vom 7. Oktober mit Priorität um die Verhinderung von Geiselnahmen gegangen ist, nicht um das Leben der Geiseln. Wer eine versuchte Geiselnahme überlebt hat, der hatte einfach Glück. So gibt es den Bericht eines Augenzeugen, abgedruckt in der “Haaretz”, demzufolge bei einer Geiselnahme mit 8 Geiselnehmern und 20 Geiselnehmern insgesamt 26 Personen ihr Leben verloren hätten. Nur zwei der vorgesehenen Geiseln hätten überlebt, er selbst als einziger völlig unverletzt. Es gibt die Aussage eines Apache-Helikopter-Piloten, der zugibt, auf Anweisung Autos mit Hellfire-Missiles beschossen zu haben, ohne daß er wissen konnte, wer in diesen Autos sitzt. Die eingestürzten Hausmauern und die ausgebrannten Häuser im Kibbuz Be’eri samt der verkohlten Leichen aus dem Inneren dieser Häuser gehen eindeutig auf den Beschuß durch israelische Panzer zurück. Der Boden dort ist von Panzerspuren übersäht. Es gab die vierzig enthaupteten Babies nicht. Dennoch wurden über 200 Israelis “erfolgreich” in den Gazastreifen verschleppt.

Die Reaktion

Die Behauptung, es gehe nun mit Priorität darum, wenigstens das Leben der “erfolgreich” Gekidnappten zu retten: Nichts weiter als Propaganda. Die Bombardierung des Gazastreifens war wichtiger. Ungefähr fünfzig der israelischen Geiseln kamen unter dem Schutt ums Leben, unter welchem sie die eigene Armee lebendig begraben hat. Die Behauptung, es gehe bei der Bombardierung darum, die Hamas zu vernichten, entpuppte sich inzwischen ebenfalls als Vorwand. Die milliardenschwere Führung der Hamas residiert recht luxuriös in Doha /Katar. Netanyahu will nun den Mossad damit beauftragt haben, die Hamas-Führung zu liquidieren. Man wird sehen. Unterdessen besteht ein aufälliges Desinteresse daran, aufzuklären, wie es zu dem katastrophalen Versagen des “besten Sicherheitskonzepts der Welt” am 7. Oktober kommen konnte und wer dafür verantwortlich ist. Fest steht nur, daß es einen Grund für die Existenz dieses “weltbeste Sicherheitskonzepts” gab und daß der auch allgemein bekannt gewesen ist. Bis die Verantwortlichen für dieses Versagen identifiziert und gefeuert wurden, steht bezüglich der Hamas nur fest, daß sie eine palästinensische Terrororganisation ist, aber nicht, wem sie von der milliardenschweren Hamasführung für welche Zwecke auch immer zur Verfügung gestellt wird. Daß eine palästinensische Terrororganisation zwingend auch eine pro-palästinensische zu sein hat, steht keinesfalls fest. Zumal die Gründung der Hamas auf eine israelische Initiative zurückgeht, hernach u.a. von Israel finanziert wurde – und daß auch der IS (Islamische Staat) und Al Qaeda mit kräftiger Unterstützung der USA ins Leben gerufen worden waren. Daß die USA über den IS und Al Qaeda die Kontrolle verloren haben, ist eine ganz andere Geschichte. Bei den Geheimdiensten des “Wertewestens” scheint die Verwerflichkeit von Terrorismus ganz allgemein an der Frage zu hängen, wem der Terror nützen soll. Guter Terror, schlechter Terror.

Der Gazastreifen

Entgegen der propagandistisch verbreiteten Behauptung, die Palästinenser im Gazastreifen hätten ihre wirtschaftliche Entwicklung selbst in der Hand gehabt – beliebtes Beispiel: Sie hätten ja ihre Wasserleitungen nicht zu zerrupfen brauchen, um aus den Rohren Raketen zu basteln – war es im Gazastreifen seit spätestens 2005 so – und das ist nicht meine Behauptung, sondern die eines hohen israelischen Ex-Militärs: Der Gazastreifen wurde nach dem Rückzug der letzten Israelis und der Auflösung von 21 israelischen Wohnvierteln dort in ein riesiges Freiluft-KZ verwandelt. Egal was: Ob Cornflakes, Babynahrung, Windeln, Kaffee, Medikamente oder Tütensuppen: Die Israelis bestimmten darüber, wer und was in den Gazastreifen rein- und wer oder was von dort rauskam. Vor der Küste des Gazastreifens gab es eine israelische Seeblockade. Der Gaza-Fischer, der sich zu weit aufs Meer hinauswagte, wurde kurzerhand zu Klump geschossen. Wer die Seeblockade von außen her durchbrechen wollte, dem ging es ebenso. Palästinenser ohne Arbeitserlaubnis für Israel konnten den Gazastreifen praktisch nicht mehr verlassen, auch nicht, um etwa ins Westjordanland zu fahren, wo die andere Hälfte der Palästinenser unter der Herrschaft der Fatah lebt und – von der Weltöffentlichkeit kaum thematisiert – ständig israelischen Angriffen ausgesetzt ist. Im Westjordanland wurden seit dem 7. Oktober mindestens 200 Palästinenser von Israelis erschossen. Und auch vorher waren die Israelis nicht zimperlich im Westjordanland. Aber: Verteidigung, Hamas und Gazastreifen.

Im Jahr 1998 wurde an der Grenze zu Ägypten im Beisein des US-Präsidenten Bill Clinton feierlich der Internationale Flughafen Palästinas eröffnet, gebaut mit Mitteln aus Deutschland, Spanien, Saudi Arabien, Ägypten und Japan. Das geschah in Übereinstimmung mit den den Oslo-Verträgen. Der Flughafen wurde zum nationalen Symbol der palästinensischen Unabhängigkeit. Palästina wiederum ist als Staat ohne Land von über 130 Nationen anerkannt. Drei Jahre nach seiner Eröffnung wurde der Flughafen “wegen der Intifada” geschlossen und kurz darauf von den Israelis zerstört. Im Jahre 2023 erinnert nichts mehr daran, daß es diesen Flughafen einst gab.

Nein, was derzeit im Gazastreifen passiert, hat mit dem Terroranschlag vom 7. Oktober wenig bis nichts zu tun. Es war nachweislich (!) ein feuchter Traum der Zionisten seit vielen Jahren, den Gazastreifen ethnisch “zu säubern”, um ihn sich hernach unter den Nagel zu reißen. So ist es auch mit Ost-Jerusalem, dem Westjordanland und den Golanhöhen. Die Zionisten folgen seit dem Jahr 1948 dem Plan, ein Großisrael (Eretz Israel) zu errichten – und die international anerkannten Staatsgrenzen ihres eigenen Landes interessieren sie dabei einen feuchten Kehrricht. Die zwölf Stämme Israels, das gelobte Land, das Exil in Ägypten, Moses und das Rote Meer, die Kanaaniter und dergleichen romantischer Wahnsinn mehr, mit welchem der – ich berufe mich auf den ersten israelischen Präsidenten David Ben-Gurion – “tatsächliche Landraub”, auf welchem die Existenz des Staates Israel fußt, ins allgemeine Vergessen gedrängt werden sollte.

Meinereiner braucht gar keine eigenen Aussagen zu Israel und den dortigen Zionisten zu machen. Es gibt einen überreichlich gefüllten Pool an jüdischen Aussagen über Israel und den Zionismus, so daß ich mich nur an diesem Pool zu bedienen brauche, ohne jemals eine eigene Meinung äußern zu müssen. Und hier gleich die krasseste. Sie ist ein paar Tage alt und stammt von Norman G. Finkelstein, einem Juden, Professor und Buchautor, dessen gesamte Verwandtschaft bis auf die eigenen Eltern in den KZs der Nazis ihr Leben verloren hat. Was sind Netanyahu und seine Zionisten? – Finkelstein: “Herrenmenschen, ordinäre Nazis”. Und ganz ehrlich: Das habe nicht ich behauptet. Nachvollziehen kann ich diese Behauptung allerdings gut.

Konservative Enttäuschung

Was ich neuerdings behaupte, das ist, daß es in Deutschland jede Menge Konservativer gibt, die gern auf einer Seite stehen, ihrer Meinung nach natürlich immer auf der richtigen. Denen reicht, daß die Mehrheit der Palästinenser Moslems sind, um zu wissen, wer rechthat und wer nicht. Die dümmste und faulste Anschuldigung, der sich meinereiner am heutigen Tage ausgesetzt sah, war die eines Wald- und Wiesenkonservativen, der sich mit Blick auf meine Wenigkeit bemüßigt fühlte, mich als einen “Umgedrehten” zu bezeichnen, der anscheinend wahnsinnig geworden ist. Dazu klaute er der Einfachheit halber ein Broder(?)-Zitat und münzte es auf mich: Der Erdinger wird den Juden den Holocaust nie verzeihen. Platter geht es nun wirklich nicht mehr. Tatsächlich verzeihe ich keinen Völkermord und keine Kriegsverbrechen, ganz egal, wer sie begeht. Das war schon immer so. Auch, als die Ukrainer für die geopolitischen Interessen der US-amerikanischen Neocons über die Klinge springen mussten. Ich berufe mich dabei einfach auf Hannah Arendt und füge an, daß es einen Grund dafür gibt, weshalb sie in Deutschland deutlich mehr geschätzt wird als in Israel. Dort ist sie regelrecht verpönt. Warum wohl? Weil sich Zionisten nicht gern einen Spiegel vorhalten lassen?

Der nächste “Konservative” wollte mir einen “Achgut”-Artikel andrehen, dessen Schlagzeile lautete wie folgt: “Eine kurze Geschichte des palästinensischen Volkes”. Danke, ich kenne inzwischen die Langversion. Aber klar: Gerade die “Gerade-wir-als-Deutschen” lassen sich natürlich von Broders “Achgut” gern eine kurze Geschichte des palästinensischen Volkes erzählen. Da bekommen sie zu lesen, was sie gerne lesen wollen, um hernach zu behaupten, sie hätten es schon immer gewußt. Nichts habt ihr gewußt! Jahrzehntelang Propaganda habt ihr gefressen! Mit dem Schaufelbagger! Und geaalt habt ihr euch in eurem Gefühl, “endlich” einmal auf der richtigen Seite zu stehen. Und schon wieder seid ihr auf die Schnauze gefallen mit euerer dämlichen I-Standwitherei. Die Fachkraft-Propaganda habt ihr überlebt, die Vielfalts-Propaganda, die Covid-Propaganda, die Ukraine-Propaganda habt ihr überlebt, aber bei der Israel-Propaganda: Bäm! – Voll erwischt.

Was meinereiner seit knapp zwei Monaten über einen großen Teil der deutschen “Konservativen” lernen musste, ist unverzeihlich: Sie sind keine Konservativen. Sie wollen nicht bewahren, was immer gilt, nämlich, daß an der Wahrheit kein Weg vorbeiführt – und daß man sie wenigstens suchen muß. Nein, da reicht, daß man “auf der richtigen Seite” steht, gesinnungstechnisch betrachtet. Und wenn man sich dazu einen Völkermord und diverse Kriegsverbrechen schönreden muß als “Verteidigung”. Die sieht dann so aus wie auf dem untenstehenden Bild mit dem Titel “Verteidigung”. Pfui Teufel.

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Islam herrschen
“Verteidigung” – Screenshot Facebook