In immer wenigeren Fällen kann es sich sogar lohnen, eine ARD-Sendung anzuschauen. Die Dokumentation „Außer Dienst? Die Gerhard-Schröder-Story“ anlässlich des 80. Geburtstags des ehemaligen Bundeskanzlers war sogar eine kleine Sternstunde, die allerdings ausschließlich der Hauptperson der am Montag ausgestrahlten Fernsehreportage zu verdanken ist.
Von Wolfgang Hübner
Unfreiwillig hilfreich war Schröder dabei ein ständig moralisierender, von der Aufgabe überforderter junger TV-Journalist, dem der alt gewordene, aber geistig hellwache Politiker eine Lektion in Realismus erteilte.
Denn Schröder ließ sich nie darauf ein, seine Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin rechtfertigen zu müssen oder gar reumütig zu entschuldigen. Er stand zu dieser besonderen Beziehung wie auch zu seiner politischen Lebensleistung, die ihn aus ärmlichen Verhältnissen einige Jahre an die Spitze des wichtigsten westeuropäischen Staates führte. Als SPD-Mitglied seit 60 Jahren äußerte er nur Verachtung für die heutige Spitze der Partei, die ihn angstvoll ignoriert und am liebsten vergessen machen würde. Schröder bezeichnet sie als „armselige Gestalten“ und den berufslosen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sehr treffend als „armen Wicht“.
Das war doch einmal richtig erfrischend. Allein Schröders deutlich verächtlichen Bemerkungen zur grünen Außenministerin Baerbock waren schon die Stunde vorm Bildschirm wert. Ich habe den Kanzler von 1998 bis 2005 keineswegs als schuldlose Lichtgestalt der deutschen Politik in Erinnerung. Doch erweist sich Schröder auch mit 80 Jahren noch turmhoch jenen miserablen Gestalten überlegen, die nun die deutsche Politik zum Nachteil von Land und Volk bestimmen.
Es war sicher die Absicht der ARD wie des TV-Journalisten, einen unverbesserlichen Putin-Freund bloßzustellen. Schröder ist es aber gelungen, den Spieß umzudrehen und zu zeigen, dass Politik sich den Realitäten stellen muss, um etwas Positives für Deutschland erreichen zu können.