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Neue olympische Disziplin: Zurückrudern in Kanada

#Turbulente Vorgänge in Kanada schrecken auf. Was muss der Grund dafür sein, dass ein Ministerpräsident in Sachen Corona-Maßnahmen urplötzlich zurückrudert, der Polizeichef von Ottawa entfernt wird und weitere Polizisten und Soldaten deren Dienst quittieren?

Ein Kommentar von Meinrad Müller

Sportlich waren sie schon immer, die Kanadier. Wollte man in diesem heißen wie kalten Klima, sommers 40 Grad plus und winters 40 Grad minus überleben, dann war nur eines gefragt: ein Höchstmaß an Anpassungsfähigkeit an die Natur. Weitere Beweise dieser Flexibilität dringen in diesen wunderlichen Tagen an unser Aug’ und Ohr. Sein Rückgrat biegen und verbiegen zu können, war nicht nur im gymnastischen Bodenturnen bei jungen Athletinnen zu bewundern. Dieses Talent auch am Schreibtisch ausüben zu können, leitet unmittelbar zur Leichtathletik bei schwergewichtigen Staatsdienern.

Söderismus oder Rückgrat

Genetische Besonderheiten wie jene in Bayern, dort als Söderismus bekannt, hätten auch Charles Darwin verwundert. Wenn gleiche Ausprägungen menschlicher Charaktere auch in Kanada unter besonders gewichtigen Personen auftreten, dann muss das historische Verständnis von Evolution um einen Passus ergänzt werden. So erklärte vor wenigen Stunden Doug Ford, seines Zeichens Premierminister (Ministerpräsident) der Provinz Ontario, er habe von diesen Corona-Maßnahmen schon lange die Schnauze voll. Er könne das nicht mehr mittragen und nun solle ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Will er etwa, dass die hinterlassene Blutspur von den Untertanen einfach so, mir nichts, dir nichts vergessen werden solle?

Masken sind des Teufels

Bis dato wurde jeder polizeilich verfolgt, der mit seiner Maske nur die linke oder nur die rechte Luftzufuhr seiner Nase verhüllte. Und nun eine 180-Grad-Wende!

Anpassungsfähigkeit und Biegsamkeit des Rückgrats, insbesondere vor anstehenden Landtags- oder kanadischen Wahlen, beweisen den sportlichen Charakter dieser Ämter.

Was ist noch an Erstaunlichem vorgefallen? Vor wenigen Tagen trat Ottawas Polizeichef, der sehr an den ehemaligen US-General Collin Powell erinnert, mit ernsthaftester Miene vor die Presse. Er drohte jedem Polizisten mit der Einleitung eines Verfahrens und mit Bestrafung, sollten diese weiterhin die Trucker unterstützen. Manche warmherzige Beamte hatten die Familien in den LKWs mit Getränken und Essen versorgt. Eine öffentlich gemachte klare polizeiliche Ansage, die eine Säuberungswelle versprach.

Staatsdiener haben die Schnauze voll

Und jetzt das: Er ist zurückgetreten oder zurückgetreten worden. Wenn Positionen mit dieser Machtfülle, welche gemeinhin Garanten der Ordnung darstellen, plötzlich vakant werden, dann leidet nicht nur das Amt. Es nähren sich Spekulationen, ob der Polizeichef die Anweisungen nicht mehr mittragen wollte oder konnte. Angesichts des in den Startlöchern stehenden Kriegsrechts würden auch der Polizei eine Gewaltfülle übertragen, die auszuüben besondere „Unempfindlichkeit“ erfordert.

Weitere Polizisten und Soldaten traten in den letzten Tagen mit Tränen in den Augen vor die Kamera und erklärten deren Rücktritt. Dass damit auch Pensionsansprüche verloren gehen und einen hohen wirtschaftlichen Schaden mit sich bringen, beweist nur eines, dass die Lage im Dienst höchst angespannt sein muss. Als die Anordnung ausgegeben wurde, Reservekanister mit Diesel auf den LKWs zu konfiszieren, habe er sich an seinen Treueschwur erinnert. Diebstahl von Eigentum gehörte definitiv nicht zu seinen Pflichten, so ein Polizist mit 20 Dienstjahren.

Aus dem fernen Europa gestatten wir uns Vergleiche. Liegt es an meteorologischen Temperaturschwankungen oder ist ein größerer politischer Tsunami im Anmarsch, dessen zerstörerische wie reinigende Kraft für ein Tabula Rasa sorgen wird?