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Drei westliche Lügen im Ukraine-Krieg

In jedem Krieg lügen und täuschen beide Seiten über den Verlauf der militärischen Auseinandersetzung. Das ist selbstverständlich auch im Ukraine-Krieg so. Erst nach dem Ende dieses Krieges wird einigermaßen geklärt werden können, welche Unwahrheiten Russen und Ukrainer verbreitet haben.

Von Wolfgang Hübner

Schon jetzt ist es aber angezeigt, drei verbreitete Lügen in der westlichen Kriegspropaganda mit der Realität zu konfrontieren. Diese Realität ergibt sich aus der Auswertung der unterschiedlichsten zur Verfügung stehenden Quellen sowie aus der politischen Konzeption der Kriegsakteure Russland und Ukraine.

Die erste Lüge: Wenn Russland siegt, dann sind künftig auch weitere Staaten in Europa in Gefahr.

Dazu: Mal abgesehen davon, was unter einem russischen Sieg zu verstehen ist, dient diese Parole einzig der militärischen und ökonomischen Mobilisierung gegen Russland. Im Kreml sitzen aber keine fanatischen Welteroberer und auch keine kommunistischen Weltbeglücker mehr, sondern Machtpolitiker eines riesigen Vielvölkerstaates, der zwei große Probleme hat: Eine zu schwache Demographie und eine zu schwache kapitalistisch organisierte Wirtschaft. Die Eroberung fremder Staaten mitsamt den damit verbundenen dauerhaften Problemen würde Russland noch viel mehr überfordern als das selbst bei den viel reicheren USA der Fall wäre, würden diese zum Beispiel Mexiko in Besitz nehmen.

Das aktuell gerade in rechtskonservativen Kreisen wieder beschworene „Gespenst“ der russischen Gefahr ist Resultat einer im Kalten Krieg stehen gebliebenen Denkweise. Mit der heutigen Realität hat das nichts zu tun. Putin selbst ist ein scharfer Kritiker des kommunistischen Charakters der verblichenen Sowjetunion.

Die zweite Lüge: Russland will sich die gesamte heutige Ukraine einverleiben.

Dazu: Wenn jemand alles zu dieser Radikallösung beiträgt, dann ist es das Selenskyj-Regime in Kiew sowie seine Sponsoren in Washington selbst. Doch die Russen werden sich nach allen bekannten Äußerungen nicht in diese ruinöse Falle begeben. Sie werden sich klugerweise mit durchaus großen Landgewinnen im Osten und im Süden am Schwarzen Meer zufrieden geben und in den künftigen Verhandlungen dafür sorgen, dass die restliche Ukraine zwar EU-Mitglied werden kann (schon um die EU zu schwächen!), jedoch nicht NATO-Mitglied. Hätte sich Kiew aus ureigenem Interesse zur Neutralisierung und Verzicht auf Wiedereroberung der Krim und der Separatistengebiete bereit erklärt, wären dem Land und seiner skandalös verarmten Bevölkerung ungeheures Leid und schmerzliche territoriale Verluste erspart geblieben.

Die dritte Lüge: Die Ukraine kann gewinnen, Russland kann verlieren.

Dazu: Eigentlich reicht ein Blick auf die derzeitige Frontlage aus, um beide Möglichkeiten auszuschließen. Das russische Militär hat bereits im Osten und im Süden bedeutende Geländegewinne gemacht und rückt sehr langsam, aber systematisch gegen die tapfer und verbissen verteidigenden ukrainischen Streitkräfte vor. Diese sind zu einer breiten Gegenoffensive erkennbar nicht fähig, daran werden auch die westlichen schweren Waffenlieferungen nichts ändern. Denn die dürften kaum in ausreichendem Maße an die Front gelangen. Der Kampf der ukrainischen Armee im Osten ist letztlich ein Opfergang, der vielen Soldaten Leben und Gesundheit kostet. Das benachbarte Russland hat das militärische Potential und die strategische Tiefe, um zusätzliche Kräfte in großem Umfang zu mobilisieren, die Ukraine kann das nicht.

Die westliche Freude über russische Kriegsverluste, Pannen und punktuelle Niederlagen kann nicht über den für die Ukraine und den Westen negativen Kriegsverlauf hinwegtäuschen. Für die russischen Streitkräfte war und ist der Krieg die seit vielen Jahrzehnten schwerste Feuerprobe. Sie ohne Fehler und ohne Verluste zu bestehen, ist im Chaos des Krieges unmöglich. Hinzu kommt, dass die Russen, sehr im Gegensatz zu amerikanischen Kriegen, nicht alles niederbomben, was ihnen im Weg steht, sondern gewisse Rücksichten auf die russischsprachige Bevölkerung in den Kampfzonen sowie auf die ukrainische Strategie der menschlichen Schutzschilder in den Städten (Mariupol!) nehmen. Dieses Vorgehen wird übrigens mit nicht wenigen eigenen Verlusten der Russen erkauft.