Bald ein Bild aus besseren Tagen? Foto: Collage

Die Austragsbäuerin Merkel beim Nachtarocken

Vererbte ein Bauer nach seinem arbeitsreichen Leben, seine kräftigen Hände von Schwielen übersät, den selbst ererbten Hof an den nächsten Erben, seinen meist ältesten Sohn, so zog er sich samt Bäuerin ins Austragshäuschen zurück. Desgleichen sollte, so möchte man meinen, auch für die Kanzlerin a.D. gelten. Tut es aber nicht.

Von Meinrad Müller

Von vorne verplappert, statt vom Ende her gedacht

Anstelle einer Rente erhielt der Bauer und die Bäuerin fortan notariell genau vereinbarte Zuwendungen wie Brot, Milch, Eiern und Fleisch. Die Alten durften sich fortan auf der Bank vor dem Haus ausruhen, Pfeifchen stopfen oder Zeitung lesen. Des Bauern a.D. wichtigste Aufgabe war jedoch den Mund zu halten, um seinem Nachfolger nicht ins Handwerk zu pfuschen. Verstöße gegen diese Tradition mündeten nicht selten in Schwänken, die in Bauerntheatern zur Belustigung, wenn nicht gar zu sanfter Erziehung des Volkes dargeboten werden.

Nun auch Angela im Theater

Das „Berliner Ensemble“ Theater, 1949 von Bert Brecht in der DDR mitbegründet, wurde dieser Tage zum Schwank für die Austragsbäuerin Merkel, um im im vollbesetzten Haus eine peinliche Tragikomödie zu inszenieren. Die Theaterkulisse aus zwei grauen Stühlen bestehend, an die Lieblingsfarbe der DDR erinnernd, passte zum „großen Interview“. Redakteur Alexander Osang vom Magazin Spiegel, das sich zum Einwickeln von Fischen bedauerlicherweise auch nicht  eignet, führte herzallerliebst wie untertänig Regie.

Eine Rezension des als „politischer Event“ angekündigten feierlichen Hochamtes in aller Kürze: Der Spiegel liebt die Angela und diese ihn. Wer in die Abgründe dieser symbiotischen Beziehung sich antun möchte wird im Netz fündig. Siehe auch Link am Seitenende.

Doch nun ein Blick zurück in die Untiefen der 16-jährigen Huld

Bei Makrelen, auch Bücklinge genannt, verhält es sich so: Gekocht sind sie nicht genießbar, doch an einem hölzernen Stab längs aufgespießt, der das postmortale Rückgrat ersetzt, bleibt die Illussion eines intakten Meerestiers temporär erhalten. Über glühendem Holzkohlenfeuer, gleich dem der Hölle dann langsam gegart, werden Bücklinge erst verdaulich. Ein schwaches Rückgrat, sonst nur toten Fischen eigentümlich, bedarf deswegen und grundsätzlich der künstlichen Stabilisierung, womit wir auch beim homo politicus angelangt sind. Das Ganze zeugt jedoch einen schalen Beigeschmack. Die Bayern gehen in Biergärten deshalb einen Schritt weiter und spülen den Fischgeschmack des gegrillten Bücklings mit einer Maß köstlichen Gerstensafts aus ihrem Munde.

Wenn die Königin zum Mahle lädt

Unnahbar sei sie gewesen, so wird aus gut unterrichteten Kreisen berichtet, denn ihr grimmiger Blick, gleich einem Dolche, lugte aus finsteren kleinen Augen. Sich dessen bewusst suchten Bücklinge, Heringe und Sardinen ihre Nähe, den zornigen Blick ertragend, um nicht rücklings, d.h. nicht auch „vom Ende her“, ebenfalls aufgespießt zu werden.

Zum eigenen Wohle beitragend, vermuteten ihre Nadelstreifenträger in demütig gebückter Haltung etwas Kluges aus jedem ihrer Wimpernschläge entnehmen zu können. Allein die Zuneigung ersehnenden Blicke genügten, ihrer verwirrenden Grammatik zu verfallen, respektive diese zu ertragen.

Zuneigung ist Goldes wert

Und wenn die Königin jemanden in einem Bruchteile einer Sekunde dauernden Lächeln ihre Gunst gütigst erahnen lies, kam dies einer innerbehördlichen Adelung gleich. Aus der bloßen Annahme, die große Gebieterin hätte einen Gedanken eines Bücklings andeutungsweise verstanden, wuchs dessen Glaube an eine vermutete Zuneigung ins Unermessliche, gar bis hin zum BGH. Diese tausendfachen Fehlannahmen, ein Fünkchen ihrer Gunst teilhaftig geworden zu sein, erwiesen sich bei näherer Kenntnis ihrer Lebensumstände lediglich als Fehlinterpretation eines Dauerkaters, der diese gläsernem und doch durchdringenden Blicke bewirkte.

Und erst ihre mütterlichen Berührungen! Mit der Art, mit welcher sie Vertrautheit dokumentierend, eine Hand huldvoll einen Bückling an dessen Schulter oder Arm legte, zeigte, welchen treuen Vasallen sie für höhere Ämter in Lobby, Wirtschaft und Behörden ausgespäht hatte. Rückgängigmachungen ihrer Urteile, wie sonst bei demokratischen Wahlen völlig legitim, duldete sie nicht. Bereits ein Hauch des Widerspruchs hätte Kritiker von weiteren Aufstiegsbemühungen lang anhaltend befreit.

Mehr als jeder gewöhnliche Handschlag zeugten ihre Berührungen strategisches Denken, wie immer vom Ende her. Die berührten, im Gegensatz zu den nicht berührten, durchströmte des gleichen Augenblicks Mutti-Liebe, „wie sonst auf Erden nicht gekannt“. (Zitat aus Richards Wagners Oper Lohengrin).

Glück muss der Mensch haben

Gleich den einleitenden Worten in Carl Orffs Oper Carmina Burana, „fortuna imperatrix mundi“, Glück ist die Kaiserin der Welt, fühlten sich die so geehrt-beglückten dem Throne nahe, näher als ihrem eigenen Gewissen oder ihren Wählern. Nicht bloße Fähigkeit entschied über das lukrative Fortkommen, sondern deren glücklicherweise flexible Rückgrat. Die so erwiesenen, vor laufenden Kameras bezeugten theatralischen Gesten der göttlichen Fügung, zeigten dem Volke eine innige Intimität, die jedoch auf körperlicher Ebene keine Fortsetzung fand. So wird zumindest hinter den Kulissen gehofft.

Als ob es einer Bestätigung noch bedurft hätte, das Drama des herrschenden Demokratiedefizits wurde auf der Bühne des Berliner Ensembles in Erinnerung gerufen. Und der Demos verneigt sich erneut. Das Handgeklapper mühsam in aufrechter Haltung stehender Bücklinge, deren Standing Ovations, sollen Berichterstattern zufolge die auf Parteitagen traditionell üblichen elf Minuten nicht überschritten haben.