Man darf gespannt sein, wie sich die Linken und Grünen hier wohl wieder durchmogeln werden – denn Besserungen oder auch nur wesentliche Änderung der Grundprobleme, die das Wahlchaos der Berliner Abgeordnetenhaus- und Bezirksversammlungswahlen vorletzten September verursacht haben, sind nicht in Sicht, und es ist dieselbe chaotische Politik eines veritablen Shitholes, die auch weiterhin am Ruder ist: Mitte Februar sollen wohl das Abgeordnetenhaus und die Bezirksversammlungen neu gewählt werden.
Der Berliner Landeswahlleiter Stephan Bröchler teilte dem “Spiegel” mit, er bereite sich auf eine “vollständige Wahlwiederholung” zu diesem Zeitpunkt vor. Bröchler ist als zuständig für die finale Festlegung des Wahltermins. Der Termin leitet sich daraus ab, dass der Berliner Verfassungsgerichtshof am 16. November entscheiden will, ob die Wahl wiederholt werden muss. Das Gericht hatte bei einer mündlichen Verhandlung Ende September erkennen lassen, dass es zu einer vollständigen Wiederholung tendiert. Diese müsste spätestens 90 Tage nach dieser Entscheidung erfolgen. Der späteste Termin wäre der 14. Februar. Einen genauen Tag wollte Bröchler nicht nennen, es bietet sich der 12. Februar an, weil es ein Sonntag ist. Einen früheren Termin hält er nicht für möglich.
“Enorme Herausforderung”
Eine Wahl ist eine enorme Herausforderung, sagte er dem Nachrichtenmagazin. Normalerweise bereite man eine Wahl ein Jahr lang vor. Wir müssen die ganzen Punkte besser machen, die bei den letzten Wahlen falsch gelaufen sind. Das betreffe vor allem Schulungen von Wahlhelfern, damit diese sorgfältiger protokollierten. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass alle Wahllokale über drei Wahlkabinen verfügen und am Wahltag alle nötigen Stimmzettel vollständig in den Wahllokalen vorhanden seien. Das war bei den letzten Wahlen ein Problem.
Auch dürfe parallel kein weiteres Großereignis stattfinden, sagte der Landeswahlleiter. Bei der Wahl hatte parallel der Berliner Marathon stattgefunden. Auf die Frage, ob er einen Erfolg der Wahl garantieren könne, sagte Bröchler: “Wir tun alles dafür, dass die Wahl ein Erfolg wird. Sie kennen den alten Spruch von Marius-Müller Westernhagen: Garantie gibts nie
. Das wollen wir aber natürlich genau nicht.” Es liefen Gespräche mit den Berliner Bezirken und der Innenverwaltung, die Unterstützung von dort sei “gut”.
Kein Grund zu Optimismus für den Wiederholungsfall
Politischen Beobachtern ist derlei Optimismus eher abhold. Tatsächlich kursiert das Wort, wer in Berlin noch zur Urne gehe, kann sich gleich darin begraben lassen. Denn solche Abgründe an Staatsversagen und Dysfunktionalität, wie sie vor gut einem Jahr bei den zeitgleich mit den Bundestagswahlen absolvierten Abgeordnetenhauswahlen der Hauptstadt zutage trat, sind eigentlich ein Todesurteil für eine Demokratie.
Inzwischen werden sogar Karlsruher Richter auf den Fall aufmerksam: So hat sich der Bundesverfassungsrichter Peter Müller hat sich erstaunt über die Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag geäußert, die sowohl im Land als auch im Bund angefochten wurde. Wenn sich das so darstelle, wie das den Medien zu entnehmen sei, “dann dürfte das ein einmalig gelagerter Fall sein“, sagte der im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts für das Wahlrecht zuständige Richter. Müller soll auch von “Zuständen wie in einer Diktatur” gesprochen haben.
“In Deutschland noch nie stattgefunden Abläufe”
Es handele sich, soweit er es übersehen könne, “tatsächlich um Abläufe, wie sie in vergleichbarer Weise jedenfalls in Deutschland noch nie stattgefunden haben“, so Müller. Da würden Verhältnisse geschildert, dass man versucht sei zu sagen, “so was hätte man sich vor einigen Jahrzehnten vorstellen können in irgendeinem diktatorischen sogenannten Entwicklungsland, aber doch nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland.”
Müller, der früher als CDU-Politiker Ministerpräsident des Saarlands war, äußerte sich auch laut “dts Nachrichtenagentur” auch zur zur Mandatsverteilung nach dem Bundeswahlgesetz: Diese habe mittlerweile ein Maß an Komplexität erreicht, das für den Normalbürger nicht mehr durchschaubar sei. Derzeit läuft dazu ein abstraktes Normenkontrollverfahren. Dass amtierende Richter am Bundesverfassungsgericht Interviews zu aktuellen Themen geben, ist sehr selten. Auch dies kann man also als Hinweis werten, dass in Berlin Neuwahlen unumgänglich sind – auch wenn sie eben ein weiteres Mal im Fiasko enden könnten. (DM)