Erst Spiegel, dann Lewentz: Das Ahrtal holt die Pfuscher mit Verzögerung ein



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Und tschüß! Mit Lewentz geht der nächste SPD-Skandalminister (Foto:Imago)

Der heutige Rücktritt von Roger Lewentz, langjähriger SPD-Innenminister von Rheinland-Pfalz, der wegen seines Verhaltens während der Flutkatastrophe im Ahrtal vom Juli 2021 mindestens ebenso angezählt war wie die bis zuletzt uneinsichtige Anne Spiegel, markiert die ungefähre Zeitspanne, wann in Deutschland – wenn überhaupt – politische Konsequenzen für Amts- und Charakterversagen der regierenden Kaste zu erwarten ist: Ein Jahr plus X, und auch das nur, wenn zuvor der massive innenpolitische Druck so groß wurde, dass sich Kanzler oder Ministerpräsidentinnen aus taktischen Gründen absolut nicht länger ums Handeln herumdrücken können. So war auch Lewentz Abgang nicht nur überfällig, sondern hätte von Ministerpräsidentin Malu Dreyer schon viel früher erzwungen werden müssen.

Für Lewentz wurde die Luft spätestens dünn, seit nun feststand, dass sich in dieser Woche sowohl der Landtag als auch der eigens dafür eingerichtete Ahrtal-Untersuchungsausschuss hätten mit dem Thema befassen würden. Es waren insbesondere jüngst aufgetauchte Videos von Polizeihubschaubern der Flutnacht gewesen, die den eitlen Teflon-Minister Lewentz schließlich in arge Bedrängnis brachten: Diese hatten eindeutig das ganze Ausmaß der Schäden gezeigt, die die Jahrhundertflut bereits gegen 22 Uhr des 14. Juli angerichtet hatte. Bislang behauptete Lewentz, zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Hinweise auf eine ernsthafte Bedrohungslage gehabt zu haben. Sowohl er als auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer verbrachten die Flutnacht im heimischen Bett und schliefen tief und fest, während 134 Menschen starben. Dass die betreffenden Hubschraubervideos, die Lewentz` Falschbehauptung belegen, überhaupt gefunden wurden, war dem AfD-Landtagsabgeordneten Michael Frisch zu verdanken. Wie der Sender AUF1 berichtet, hatten die Lewentz unterstehenden Polizeidirektionen den Untersuchungsausschuss bereits im Oktober 2021 darum gebeten, nicht alle Unterlagen anzufordern, um Personal- und Geldaufwand zu sparen.

Tiefschlaf im heimischen Bett statt Krisenbewältigung

Es waren schließlich ebendiese belastenden Videos gewesen, die zu den schlagenden Beweismitteln gehörten -und auf die der Ausschuss dennoch bereitwillig verzichtet hatte, wohl auf Betreiben von Lewentz‘ Ministerialen hin (aus gutem Grund, handelte es sich hierbei doch um eine Art „smoking gun”). Als später dann doch noch weitere Dokumente angefordert wurden, hieß es plötzlich, von dem brisanten Video würde nur noch eine Kopie existieren – im „Privatbesitz” des Piloten (!). Die weiteren Ermittlungen ergaben jedoch, dass dem Lagezentrum des Innenministeriums die Aufnahmen bekannt gewesen waren – und zwar bereits vor Mitternacht des Fluttages. Lewentz Ministerium wusste also schon zu diesem Zeitpunkt, dass mindestens eine Person ertrunken, Hänge abgerutscht und sechs Häuser weggespült worden waren. Der Minister beharrte dennoch weiter darauf, die Filmaufnahmen erst kürzlich gesehen zu haben. Parallel wurde, als die Freigabe der Aufnahmen sicher bevorstand, anscheinend Druck auf Zeugen ausgeübt: So wurde unter Missachtung von Datenschutzbestimmungen die Namen der Polizisten und Hubschrauberpiloten öffentlich gemacht.

Angesichts dieser Entwicklung wurde es eng für Lewentz; zuletzt forderten CDU, Freie Wähler und AfD seinen Rücktritt –  oder seine Entlassung durch Dreyer. Dass Lewentz dieser Forderungen heute schließlich nachkam und den Rücktritt von seinem Amt ankündigte, war dieser sich verschärfenden Stimmung geschuldet; nicht etwa der Einsicht oder Reue des Ministers.

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