Vor dem Migrationsgipfel im Kanzleramt hat ausgerechnet SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun erstmals einen schärferen Kurs in der EU-Asylpolitik gefordert. Es brauche einen stärkeren Fokus auf die “Begrenzung der Flüchtlingszahlen”, so die größte Verfechterin der unbegrenzten Masseneinwanderung. „Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen“, schwadronierte sie großspurig – und ohne vermutlich auch nur ansatzweise selbst an diese Versprechungen zu glauben, deren Umsetzung von ihr selbst seit anderthalb Jahren zuverlässig verhindert wird. Auf EU-Ebene, so Faeser, werde über Verfahren an den Außengrenzen verhandelt, „um dort binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden“. Damit könnten dann abgelehnte Asylbewerber bereits von den EU-Außengrenzen aus “schnell zurückgeführt” werden. Auch Finanzminister Christian Lindner hatte gewunden erklärt: „Ich glaube, dass, um Kontrolle herzustellen, auch der physische Schutz der Außengrenze in Betracht gezogen werden muss“, natürlich nicht ohne hinzuzufügen: „Ich bin dafür, wenn zugleich die Möglichkeit humanitärer und qualifizierter Einwanderung rechtlich erleichtert wird.“
Faesers plötzliche Pseudo-Kehrtwende, die selbst dann, wenn sie ernstgemeint wäre, zwar überfällig ist, aber viel zu spät kommt, wird man wohl allenfalls als taktisches Manöver, wohl auch im Hinblick auf den hessischen Landtagswahlkampf, bei dem sie für se SPD als Spitzenkandidatin antritt, zu verstehen haben. Sie markiert nämlich eine völlige Wende zu allem, was sie bisher gesagt und (nicht) getan hat. Seit ihrem Amtsantritt tut sie alles, um jegliche effektive Kontrolle an den deutschen Außengrenzen zu sabotieren und lässt selbst „Flüchtlinge“ einreisen, die sogar bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden, um nur ja jeden Eindruck eines „Pushback“ zu vermeiden.
Neue Türkei-Welle vor Augen
Ob die Lage in den seit Monaten verzweifelt um Hilfe und eine Reduzierung der Massenmigration bettelnden Kommunen nun endgültig so katastrophal ist, dass selbst Faeser einsehen muss, dass der Zusammenbruch bevorsteht, ist fraglich. Immerhin rang sie sich das Eingeständnis ab, die Situation verlange den Gemeinden „sehr viel“ ab. Eine Entlastung soll nun vor allem dadurch gelingen, dass die Migration „viel stärker“ gesteuert und geordnet werde. Da die Zuwanderung bislang de facto gar nicht gesteuert und geordnet wird, wäre hier jegliche Kontrolle schon als „viel stärker“ zu werten.
Vielleicht hat aber ja auch die jüngste “Migrationsanalyse” der Bundespolizei tatsächlich zu einem Anflug von Restvernunft bei Faeser geführt: Darin wird nämlich ein neuer regelrechter Migrationsansturm an den europäischen Außengrenzen prophezeit, der unmittelbar bevorstehe. Dies liegt auch daran, dass der unter innenpolitischem Druck stehende türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Abertausende von Migranten, von denen fast vier Millionen in der Türkei festsitzen, nach Russland schleust, von wo sie dann über Weissrussland vor allem an die polnische und tschechische Grenze weiterziehen und letztlich in ihrem Traumziel Deutschland landen. Möglicherweise erhofft sich Faeser, die überall so gefürchteten „unschönen Bilder“ auf Staaten an den europäischen Außengrenzen abwälzen zu können. Von den Grünen ist natürlich nicht die allergeringste Einsicht zu erwarten. Deren Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann wies jeglichen Schutz der EU-Außengrenzen durch Zäune kategorisch zurück. Man dürfe die Debatte nicht darauf konzentrieren, wie man sich am besten abschotte, faselte sie.
Souverän Tatsachen ausgeblendet
Noch weiter geht der linke thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, der allen Ernstes vor, einen Teil der seit 2014 angekommenen Asylbewerber einfach pauschal anzuerkennen, weil vor allem die jüngeren „auf dem regulären Arbeitsmarkt dringend“ gebraucht würden. Dass die meisten dieser Einwanderer weder in den regulären Arbeitsmarkt wollen noch auch nur ansatzweise die dafür erforderlichen Qualifikationen mitbringen, blendet er souverän aus. Von ihrem Vorgänger Horst Seehofer erntete Faeser übrigens tatsächlich auch noch Lob für ihre Forderung, die Migration nach Europa nun endlich ein bisschen zu beschränken. Er selbst sie mit diesem Ziel einst gescheitert, so Seehofer zynisch. Beim Migrationsexperten Ruud Koopmans hingegen stößt Faesers Migrationspolitik auf deutlich weniger Zustimmung. Er warnte vor einer Überforderung Deutschlands: Wenn es so weitergehe wie bis jetzt, wo bereits 87.000 Asylanträgen im laufenden Jahr hinzukamen, “würden wir auf Zahlen kommen, die durchaus an 2015 heranreichen“, sagte er.
Zudem kritisierte er, dass das europäische Asylrecht mehr Menschenleben fordere, als es rette. Nur ein Teil der Menschen, die es nach Europa schafften, seien tatsächlich schutzbedürftig. Faesers Satz „Humanität kennt keine Obergrenze“ sei „reine Heuchelei“, da die Realität zeige, dass die Abwehr irregulärer Migration häufig anderen überlassen werde.
Zu spät für Realismus?
Koopmans sprach sich für ein jährliches Kontingent für humanitäre Zuwanderung aus, das sich an den durchschnittlichen Quoten der seit 2013 in der EU und in Deutschland anerkannten Asylbewerber orientiere. Damit würden für die EU insgesamt 325.000 Menschen und 160.000 für Deutschland aufgenommen. Für die anderen müsse es „mehr und wirksamere Rücknahmeabkommen mit Herkunftsländern von Asylbewerbern“ geben.
Zudem sollten Abkommen mit Drittstaaten für die Durchführung von Asylverfahren für Migranten geschlossen werden. Zudem forderte er sowohl das konservative als auch das progressive politische Lager zur Aufgabe ihrer „Lebenslügen“ auf. Die Konservativen müssten der Bevölkerung klar machen, dass Europa eine humanitäre Verpflichtung habe, während das progressive Lager anerkennen müsse, dass es überhaupt ein Problem gebe, behauptete er. Für eine solche Wende zum Realismus ist es jedoch bereits zu spät. Die Fronten sind durch den migrationspolitischen Amoklauf, den Angela Merkel 2015 begonnen hat, so verhärtet, dass eine Rückkehr zur Vernunft kaum noch möglich erscheint, zumal Faeser die grundsätzliche verheerende Fehlerhaftigkeit ihres Tuns nicht ansatzweise einsieht. Daran ändern auch ihre nun unter massivem Druck getätigten Forderungen nichts.