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Ein zögerlicher Schritt in Richtung finanzieller Kompetenz

Die Finanzwirtschaftliche Bildungsinitiative der FDP-Bundesbildungsministerin ist grundsätzlich löblich. Vor dem Hintergrund des dafür veranschlagten Budgets kann einem das Ganze allerdings nur recht halbherzig vorkommen.

Von Hans-Peter Hörner

Die finanzwirtschaftliche Bildung der Bevölkerung spielt eine entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Stabilität und persönliche finanzielle Sicherheit. Sie ist Bestandteil der politisch-ökonomischen Bildung und Verbraucherschutz gleichermaßen. Trotzdem gelten die Deutschen als finanzielle Analphabeten. Verena von Hugo, Co-Vorsitzende des Bündnisses für Ökonomische Bildung BÖB erklärt sich den weißen Fleck in der Bildungslandschaft Deutschlands mit einer traditionellen Missachtung der Finanzwirtschaft. Einerseits ist Geld heiß begehrt, damit zusammenhängende Statusfragen faszinieren ein Millionenpublikum, andererseits stinkt Geld zwar nicht, doch Finanzspekulationen, Aktienmärkte, Haussen und Baissen haben für den Deutschen etwas Anrüchiges, es ist ihm nicht ganz geheuer. Die angeblich mäßig entwickelte Aktienkultur in der Bundesrepublik weist dies eindrucksvoll nach. Doch eigentlich liegt die Ursache der mangelhaften Finanzbildung woanders. Es mangelt offenbar schlicht am Angebot, wenn man der Jugendstudie 2021 des Bankenverbandes Glauben schenkt. Dort weisen die Autoren nach, dass die Jugend den Eindruck hat, im Bereich der ökonomischen Bildung mit ihren Wünschen nicht gehört zu werden. Nahezu drei Viertel der teilnehmenden Jugendlichen wünschen sich mehr Informationen in der Schule über wirtschaftliche Zusammenhänge. Der Bankenverband teilt mit: „Mehr als drei Viertel (77 Prozent) fordern die Einführung eines eigenen Unterrichtsfachs Wirtschaft.“ Und der Hauptgeschäfts-führer des Verbandes, Andreas Krautscheid, schlussfolgert: „Jugendlichen fehlt ohne ausreichende Wirtschafts- und Finanzbildung das nötige Rüstzeug, um die Welt und den Alltag zu verstehen. Es sollte Aufgabe der Schule und dort nicht zuletzt der ökonomischen Bildung sein, dieses Wissen zu vermitteln, um Jugendlichen die bestmöglichen Chancen für einen erfolgreichen Berufsstart an die Hand zu geben.“

Die Umfrageergebnisse bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigten teils frappierende Wissenslücken: Die damals aktuelle Inflationsrate in Deutschland kannten 86 Prozent der Teilnehmer nicht einmal ansatzweise. Die wenigsten wussten über die Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) Bescheid. Krautscheid: „Diese Bildungslücken sind alarmierend und zeigen deutlich, dass Wirtschafts- und Finanzthemen einen höheren Stellenwert in den Lehrplänen erhalten müssen. Die nächste Bundesregierung hat an dieser Stelle einen Auftrag zu erfüllen.“

In diesem Zusammenhang hat die deutsche Bildungsministerin Starck-Watzinger (FDP), eine ehrgeizige finanzwirtschaftliche Bildungsinitiative ins Leben gerufen. Diese Initiative zielt darauf ab, das Bewusstsein für finanzielle Grundlagen und Fähigkeiten zu schärfen, um den deutschen Bürgern dabei zu helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre finanziellen Ziele erfolgreich zu erreichen. Auslöser dürfte auch eine internationale Umfrage zur Finanzkompetenz durch die OECD und das International Network on Financial Education (INFE) von 2018/19 gewesen sein. Sechsundzwanzig Länder und Volkswirtschaften auf drei Kontinenten (Asien, Europa und Lateinamerika), darunter 12 OECD-Mitgliedsländer, nahmen an dieser internationalen Umfrage zur Finanzkompetenz teil. Die Ergebnisse machten deutlich, dass es großen Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern an der notwendigen Finanzkompetenz und finanziellen Widerstandsfähigkeit mangelt, um das tägliche Finanzmanagement effektiv zu bewältigen. Etwa ein Drittel der Bürger konnte und kann einfache Fragen zur Zinsrechnung nicht richtig beantworten. Nach einer europaweiten Studie der ING Bank von 2022 sieht sich sogar die Hälfte der deutschen Bürger als „finanzielle Analphabeten“ – damit ist Deutschland im europäischen Vergleich Vorletzter.

Nun soll die Förderung der Finanzkompetenz in Schulen Licht ins Dunkel bringen. Finanzielle Bildung soll in den Lehrplan der Schulen integriert werden. Durch die Einführung in die finanziellen Grundlagen wie Budgetierung, Sparen, Investitionen, Schuldenmanagement und Altersvorsorge sollen Schülerinnen und Schüler frühzeitig die Grundlagen der Finanzwirtschaft erlernen. Dieses Wissen soll helfen, verantwortungsbewusste finanzielle Entscheidungen zu treffen und sich auf ihre finanzielle Zukunft vorzubereiten. Dadurch will die Initiative den Grundstein für eine Generation von Bürgern legen, die besser auf die Herausforderungen des modernen Finanzwesens vorbereitet sind. Denn die Teilhabe und das Verständnis an und von wirtschaftlichen Zusammenhängen ist für die soziale und ökonomische Stabilität einer modernen Volkswirtschaft unerlässlich.

Im Rahmen der finanzwirtschaftlichen Bildungsinitiative wurden auch Partnerschaften mit führenden Vertretern der Finanzindustrie geschlossen. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, Expertenwissen und Ressourcen aus der Finanzbranche in die Bildungseinrichtungen einzubringen. Durch Workshops, Schulungen und Informationsveranstaltungen können die Schülerinnen und Schüler von der Expertise der Finanzprofis profitieren und ihr Verständnis für komplexe Finanzthemen vertiefen. Darüber hinaus bieten diese Partnerschaften auch Möglichkeiten für Praktika und Mentoring-Programme, die den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die Arbeitswelt der Finanzbranche geben.

Dazu kommt die Entwicklung digitaler Bildungsressourcen. Durch die Schaffung interaktiver Online-Plattformen, Videos, Webinare und mobiler Apps wird die finanzielle Bildung für alle Altersgruppen zugänglicher gemacht. Diese digitalen Ressourcen bieten den Bürgern die Möglichkeit, ihr Wissen über Finanzthemen flexibel und individuell zu erweitern. Darüber hinaus können sie auch als unterstützendes Instrument für Lehrkräfte dienen, um den Unterricht zu ergänzen und den Lernprozess zu bereichern. Nichtsdestotrotz ist die finanzielle Ausstattung für das ehrgeizige Vorhaben bescheiden: Ganze zwei Millionen Euro wurden vom Bildungsministerium budgetiert.

Doch damit finanzielle Bildung nicht nur in den Schulen, sondern auch in den Familien einen hohen Stellenwert erhält, ist mehr Geld vonnöten. Insbesondere in Deutschland, einer der größten Volkswirtschaften der Welt, ist es unerlässlich, dass die Bürger über grundlegende finanzielle Kenntnisse verfügen, um persönliche und gesellschaftliche finanzielle Ziele zu erreichen. Weil sich beim Thema „Wirtschaft/Finanzwirtschaft“ eine links-ideologisierte Unterrichtsführung anbietet, ist die Ergänzung durch die freie Wirtschaft und durch digitale Plattformen, die kontrollierbar sind, eine Notwendigkeit.

„Wer die Alchemie der Wirtschaft nicht versteht, so lautet die Botschaft von Goethes Faust, kann die ungeheuerliche Dimension der modernen Wirtschaft nicht erfassen“, das schrieb der schweizer Ökonomieprofessor Hans Christoph Binswanger in seinem 2005 erschienenen Buch „Geld und Magie“, in welchem er eine ökonomische Deutung von Goethes Faust unternahm. Genau dies Verständnis ist allerdings einer der wichtigsten Bausteine für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

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