Die Gefahr durch leserfinanzierte Zeitungen ist, daß es dort nur zu lesen gibt, was den Lesern gefällt. Würden dort Artikel erscheinen, die den Lesern nicht gefallen, wäre es auch mit der Finanzierung schnell vorbei. Die Züricher Publikation „Republik“ ist leserfinanziert, eine Art Genossenschaft – und sowohl Themenauswahl als auch die Behandlung derselben sind dementsprechend. Ein Beispiel.
von Max Erdinger, Expertenexperte
„Und dann saugen wir es einfach ab“, heißt eine der Schlagzeilen bei „Republik.ch“., „Die Schweiz muß klimaneutral werden …“ Eine andere: „Eine Zerstörung von planetarischem Ausmaß“. Wie groß ist die Schweiz? Weiter in der Serie „Die Schweiz auf Abriss“: „Die Baubranche verursacht massiven Ressourcenverschleiß …“. Leserfinanzierte Zeitungen müssen ihrer Leserschaft nach dem Maul reden, mithin also dem vom Mainstream etablierten Zeitgeist huldigen, auch wenn der ein Ungeist ist. Im Jahr 2018 gegründet, macht „Republik“ seit etwa zwei Jahren Gewinn in einer „wertewestlichen Gesellschaft“ wie derjenigen der Schweiz, weshalb man sich auch über den folgenden Artikel nicht zu wundern braucht angesichts der mehr als offensichtlichen, kulturellen Degeneration des „Wertewestens“ insgesamt.
„Wir sprechen nicht von einem Kalten Krieg reloaded. Die Situation ist gefährlicher“, heißt es in der Schlagzeile. Im Teaser dann: „Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich radikal verändert. Militärexperte Frank Sauer erklärt, wie er die Gefahr durch Russland einschätzt. Warum Europa jetzt mehr Waffen braucht. Und weshalb wir trotzdem masshalten müssen.“ – abgesehen von diesem penetranten „wir“, das auch bei „Republik“ Einzug gehalten hat (wir müssen, wir brauchen & wir dürfen nicht), – als ausgewiesener Expertenexperte erwartet meinereiner schon gar nichts Gutes mehr, wenn ihm von einer Publikation irgendjemand einfach so als Experte angedient wird. Was macht den Herrn Sauer zum „Militärexperten“? Nach Auskunft von „Republik“ hat der Mann Politikwissenschaft, Soziologie, Philosophie und Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt studiert. Er forsche und publiziere zu Fragen der internationalen Politik, insbesondere der internationalen Sicherheit, heißt es. Seit Februar 2023 sei der „Militärexperte“ Sauer Privatdozent. Was in aller Welt macht einen Politsoziophilojuristen zum „Militärexperten“? Gute Frage, oder?
Wenn man sich dann durchliest, welches Bedrohungsszenario der „Militärexperte“ bei „Republik“ entwirft, stellt sich gleich die nächste Frage: Von wem und auf welchen Wegen, außer der Lesergenossenschaft, wird „Republik.ch“ noch finanziert, daß man dort dennoch weiterhin behaupten darf, man sei quasigenossenschaftlich leserfinanziert? Die „Republik“-Gründer sind allesamt alte Hasen aus dem Medien-Mainstream. War ihnen der nicht käuflich genug? Wurden dort Gewinnerzielungsmöglichkeiten brachliegen lassen? Dachten sie, das ginge doch besser? – Man weiß es nicht. Aber auf solche Gedanken kommt man wegen des Raums, welcher dem „Militärexperten“ Sauer dort gegeben wurde. Seine Lagebeurteilung samt dem dazugehörigen Framing ist derartig hanebüchen, daß die Absichten hinter seinen Einlassungen durchscheinen, als trügen sie eine reflektierende Warnweste. Der Expertenexperte kennt sich aus mit Durchsichtigkeiten aller Art.
„Seit zwei Jahren tobt in der Ukraine der blutigste Krieg, den Europa seit 1945 erlebt hat.“ – Trick 17: Kollektivierung des „blutigen“ Kriegs, Miteinbeziehung aller unblutig gebliebenen Europäer durch die Verwendung von „Europa“, wo tatsächlich Russen und Ukrainer gemeint sein müssten. Absicht: Schaffung eines solidarischen Zusammengehörigkeitsgefühls. Das ist schon dreist, zumal dann, wenn man sich überlegt, daß „Republik“ in der Schweiz erscheint, die zwar in Europa liegt, aber noch nicht einmal Mitglied der EU ist, worüber nicht „die Schweiz“ sondern die Schweizer von früh bis spät glücklich sein sollten. Korrektur also: Seit zwei Jahren tobt in der Ukraine der blutigste Krieg, den die Eurokraten, Briten und amerikanische Neocons jemals seit 1945 angezettelt haben. Und weil es auch der einzige ist, der in der Ukraine angezettelt wurde, ist er natürlich zugleich sowohl der blutigste als auch der unblutigste. Es gilt nämlich: Schlimmer geht immer. Zum Beispiel könnte der Tobekrieg durchaus noch furios werden. Ja-ja-ja-ja. So ist das.
„Wladimir Putin stellt Russland auf Kriegswirtschaft um und schafft sich die Waffenproduktionskapazitäten, um nicht nur den Feldzug gegen die Ukraine zu gewinnen, sondern auch weitere europäische Länder anzugreifen. Das sind die Fakten. Europa muss diese Situation erst einmal richtig beurteilen. Und dann schnell die Antworten finden.“ – holla, holla, gottfroh müssen wir sein, daß ein „Militärexperte“ in der schweizerischen „Republik“ die Situation richtig beurteilt, während sie andere Experten, etwa ehemalige Hochranginge der CIA und der amerikanischen Streitkräfte, Ex-UN-Waffeninspekteure und altgediente Diplomaten ganz falsch beurteilen. Anscheinend wissen die nicht, wie „die Fakten“ sind. Aber wenn es schon so sein soll: Warum muß dann „Europa“ die Antworten schnell finden? Warum liefert sie der einzig wahre und offenbar superschlaue „Militärexperte“ Sauer, Frank nicht im Paket mit seiner „Expertise“ gleich mit? Ich meine, wenn er doch „richtig“ liegt? Hätte er doch machen können? Ja, oder nicht? Ob er den Genossenschaftslesern von „Republik“ vielleicht noch verrät, wo er „das Faktum“ herhat, daß Wladimir Putin „auch noch weitere europäische Länder“ angreifen will? Was wäre denn außerdem ein Angreifer? Sowohl Friedrich der Große als auch Montesquieu und Machiavelli hatten den vermaledeiten Angreifer so definiert: Angreifer ist, wer seinen Gegner zwingt, zu den Waffen zu greifen. Im Fall Ukraine war es ganz eindeutig so: Putin sah sich zum „Angriff“ (spezielle militärische Operation) gezwungen – und die angeblichen „Verteidiger“ wussten genau, daß er sich dazu gezwungen sehen würde, was schließlich die Absicht hinter ihren planvollen Abgefeimtheiten in der Ukraine seit 2014 gewesen war. Daß irgendwer in Russland plane, „auch andere europäische Länder anzugreifen“, – dafür hätte der „Militärexperte“ besser astreine Quellen mitgeliefert, anstatt einfach zu behaupten, das seien „die Fakten“. Also nochmal: Wer, außer den Lesern, verwöhnt „Republik.ch“ mit hochmögenden Zuwendungen? Und aufgrund welcher Interessen?
Überflüssige Rüstungsausgaben
„Niemand will überflüssige Rüstungsausgaben, niemand will Armeen, die grösser sind als nötig – und schon gar nicht wollen die Nato-Staaten den Krieg.“ – das ist aber ein netter Versuch der Leserverarschung, „Militärexperte“ Sauer, Frank (m/w/d). Doch, es gibt Leute, die Feuer & Flamme sind für „überflüssige Rüstungsausgaben“. Das sind die Herrschaften, die CEOS oder Aktionäre großer Rüstungsunternehmen sind. Oder Außenminister wie Anthony Blinken, die zur Absicherung gegen die eigene Altersarmut eine Firma betreiben wie „WestExecAdvisors“, deren Geschäftstätigkeit darin besteht, Regierungsaufträge an private Rüstungsfirmen zu vermitteln. Gegen Provision, versteht sich. Ob der Herr Sauer, Frank wohl einmal den Kurs der Rheinmetall-Aktie über die vergangenen beiden Jahre mitverfolgt hat in seiner Eigenschaft als „Militärexperte“ für die „Republik“? Aufgepaßt: „Wir“ ersetzen das Wort „niemand“ weiter oben durch „jemand“ – und schon sind „wir“ viel näher an des Pudels Kern. Wollen „wir’s“ so machen, Herr „Militärexperte“ Sauer, Frank (m/w/d), bevor „wir als Europa“ die Antworten „schnellfinden“?
„Die Invasion der Ukraine im Jahr 2022 hat zunächst überraschende Schwächen der russischen Armee offengelegt. Vor den Augen der Welt scheiterte der vermeintliche Blitzangriff an starren Hierarchien, mangelnder Logistik und der Tatsache, dass der Grossteil der Waffen und Fahrzeuge der Russen katastrophal gewartet war. Man erinnere sich nur mal daran, wie viele russische Militärfahrzeuge aufgrund kaputter Pneus liegen blieben. Die Grundversorgung mit dem Allernötigsten – Kraftstoff, Nahrung, Wasser – funktionierte so schlecht, dass russische Soldaten Tankstellen und Supermärkte plündern mussten.“ – da schau her, der „Blitzangriff“ der Russen. Klingt ja fast wie Nazi-„Blitzkrieg“. Wird doch wohl keine FRaming-Absicht gewesen sein? Was war denn so „blitzartig“ am Beginn der russischen SMO? Waren denn die russischen Truppenkonzentrationen an der ukrainischen Grenze nicht monatelang vorher schon beobachtet und beklagt worden? Monatelange Blitzbeobachtung, oder was? Wenn ich mich recht erinnere, haben die Russen mit 90.000 Mann ihre SMO begonnen. Hätten sie einen Krieg gegen „die Ukraine“ führen wollen, ein Land größer als Frankreich und im Februar 2022 nach den USA und der Türkei das mit der drittgrößten Armee im „Wertewesten“, wären sie wohl nicht mit 90.000 Mann eingerückt, sondern mit 900.000. Das Ziel der SMO war ursprünglich, „die Ukraine“ zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen. Und das hat auch funktioniert. In der ersten Woche nach Beginn der SMO bereits. Treffen in Gomel/Belarus. Einer der ukrainischen Delegationsteilnehmer, Denis Kireew, wurde daraufhin vom ukrainischen SBU erschossen. Ebenfalls März 2022: Friedensverhandlungen in Istanbul, unterschriftsreif ausformuliert, Vertragsentwurf unterschrieben vom ukrainischen Delegationsleiter. Dann der 9. April 2022: Der britische Ex-Premier Boris Johnson macht als US-Emissär einen „Blitzbesuch“ in Kiew und redet Selenskyj die Idee vom Friedensschluß wieder aus.
Und dann das: Dem Herrn „Militärexperten“ fehlt es eklatant am Sinn für Logik. Eine völlig marode Russenarmee beginnt also im Februar 2022 mit platten Reifen einen „Blitzangriff“ gegen eine, von der Nato im Verlauf der vorvergangenen acht Jahre zur drittgrößen „Westwertarmee“ hoch gerüstete Superstreitkraft – und zwei Jahre später kraucht die inzwischen dritte Superstreitkraft auf dem Zahnfleisch an der Front herum, nachdem die ersten beiden Superstreitkräfte gnadenlos dezimiert worden sind? Wie das denn? Das alles und noch viel mehr kann man den Genossenschaftslesern von „Republik.ch“ auftischen mit dem Kalkül, daß sie es schon fressen werden, weil es schließlich ihre je persönlichen Meinungspräferenzen über Russland befriedigt. – Alter Schwede. Wie blöd wird’s denn noch?
Den Rest des inkonsistenten Gestammels von „Militärexperte“ Sauer, Frank (m/w/d) kommentiere ich gar nicht mehr, so dämlich und verlogen ist es. Das ist eine „Expertise“ für Ignoranten und Idioten. Bei „Republik.ch“ kennt man die eigene Leserschaft. Jedenfalls sieht es ganz danach aus.