Wenn zwei Linke sich streiten…
Die BSW-Vorsitzende und frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht wendet sich gegen einen aus ihrer Sicht weit verbreiteten „Missbrauch“ der Sozialleistung Bürgergeld durch Menschen, die eigentlich nicht darauf angewiesen sind.
Es lasse sich „nicht leugnen, dass sich ein Modell Bürgergeld plus Schwarzarbeit
verbreitet“, sagte Wagenknecht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwochausgabe). „Wer es so macht, steht am Ende eher besser da als viele, die Vollzeit arbeiten“, kritisierte Wagenknecht.
Vor diesem Hintergrund zeigte sie sich skeptisch gegenüber Forderungen etwa von Sozialverbänden, die monatlichen Regelsätze der Grundsicherung deutlich zu erhöhen. „Für eine pauschale Erhöhung des Bürgergelds gibt es so lange keine Akzeptanz in der Bevölkerung, solange Missbrauch nicht stärker eingedämmt wird“, sagte sie. Deswegen solle man „vor allem die besserstellen, die es wirklich brauchen“. Wenn es lange Schlangen an Lebensmitteltafeln gebe, zeige dies allerdings auch, dass man von Bürgergeld „offenbar nicht leben kann“.
Zugleich kritisierte Wagenknecht, insoweit ähnlich wie die CDU, die von der Ampelkoalition eingeführte Bezeichnung „Bürgergeld“. „Schon der Name Bürgergeld
ist falsch“, sagte sie. „Es soll ja nicht Bürger mit Geld versorgen, sondern Arbeitslose absichern, die schuldlos ihren Job verloren haben und zunächst keinen neuen finden.“
Die CDU hatte am Montag ein Konzept mit weiter gehenden Sanktionen gegen unkooperative Leistungsbezieher und einer Umbenennung in „Neue Grundsicherung“ beschlossen. Im Hinblick auf Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohns wandte sich Wagenknecht gegen einen politischen Wettstreit um Zahlen. „Ich halte nichts von einem Überbietungswettlauf“, sagte sie. „Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn wir 14 Euro hätten.“ Sie begründete damit, warum das BSW eine Erhöhung auf 14 Euro fordert, während die Linkpartei ihre Forderung inzwischen auf 15 Euro angehoben hat. „Natürlich kenne ich auch die Probleme von Menschen, die eine Bäckerei oder einen Gastronomiebetrieb führen und ohnehin schon mit stark gestiegenen Kosten kämpfen“, führte sie weiter zur Begründung an.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat die jüngsten Bürgergeldpläne der CDU derweil scharf kritisiert. „Die Rechtsprechung ist sehr klar: Der Staat darf Menschen nicht dauerhaft auf Null runtersanktionieren“, sagte Kühnert der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). „Die Vorschläge der CDU sind also schlicht verfassungswidrig.“
Er warf der Union vor, „hunderttausende fleißige Menschen mit ihren platten Parolen in Verruf“ zu bringen. „Die wirklichen Totalverweigerer im Bürgergeld sind wenige tausend Menschen und Wechsel vom ersten Arbeitsmarkt in das Bürgergeld gab es im letzten Jahr so wenige, wie noch nie in der Geschichte der Grundsicherung“, so Kühnert. „Die Fakten sprechen eine klare Sprache.“
Das Bürgergeld sei kein bedingungsloses Grundeinkommen, sagte der SPD-Generalsekretär. „Es gibt selbstverständlich Regeln und notfalls auch Sanktionen.“
Vielleicht sind sich diese beiden Erz-Linken wenigstens bei Thema „Ukraine einig:
In der Debatte um ein „Einfrieren“ des Ukraine-Krieges hat sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert deutlich hinter die Äußerungen von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gestellt. „Rolf Mützenich hat keine Forderung gestellt, den Krieg jetzt einzufrieren“, sagte Kühnert der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). „Er hat daran erinnert, dass sich kluge vorausschauende Politik neben den Waffenlieferungen auch Gedanken über diplomatische Initiativen machen muss. Und er hat darauf verwiesen, wie das in vergleichbaren internationalen Konflikten in der Vergangenheit gelaufen ist.“
Ohne Rolf Mützenich und die Art, wie er in den letzten zwei Jahren agiert habe, „hätte es diese Ukrainehilfe so nicht geben können“, sagte Kühnert. „Die wesentlichen Beschlüsse dazu haben wir als SPD-Fraktion einstimmig mitgetragen. Rolf Mützenichs Haltung vor diesem Hintergrund infrage zu stellen, ist schon ein starkes Stück.“
Zur Stimmung in der Koalition allgemein sagte der SPD-Generalsekretär, er bedauere, dass gerade viel in Zerrbildern geredet werde. „Ich stimme nicht mit allem, was etwa Frau Strack-Zimmermann sagt, überein. Aber ich ahne, welche Gedanken sie antreiben, und ich würde sie bei aller Differenz nie als Kriegstreiberin bezeichnen“, so Kühnert. „Im Gegenzug erwarte ich dann aber auch, dass man meinem Fraktionschef nicht Kumpanei mit Wladimir Putin unterstellt. Das ist infam.“
Mützenich hatte in einer Bundestagsdebatte gefragt, ob es nicht an der Zeit sei, „dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann“. Eingefrorene Konflikte werden meist in ihrem aktuellen Zustand gehalten, ohne dass zuvor ein Kompromiss oder eine Lösung gefunden wurde. Häufig sind die Konflikte dadurch weniger intensiv – die Gewalt geht jedoch meist weiter.
Etwas schärfer argumentiert Frau Wagenknecht. In der Auseinandersetzung über den russischen Angriffskrieg lehnt sie sogar Waffenlieferungen an Selenskij strikt ab.
Den Krieg einfrieren, keine Waffenlieferungen an die Ukraine – solche Forderungen könnten doch glatt auch aus AfD-Kreisen kommen. Soviel dann zur Hufeisen-Theorie.