Björn Hök (Foto:ScreenshotJouwatch)

Urlich Vosgerau über das Strafverfahren gegen Björn Höcke

Diesen Eintrag von Urlich Vosgerau auf X finden wir sehr wichtig und veröffentlichen ihn deshalb noch einmal hier:

Die FAZ (Nr. 81, Sa 06.04.24, S. 4) berichtet über das demnächst beginnende Strafverfahren wegen “Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen” gegen den Thüringer Oppositionsführer Björn Höcke. Diesem wird zur Last gelegt, er habe am 29. Mai 2021 während einer Wahlkampfveranstaltung in Merseburg die Wortfolge “alles für Deutschland” gebraucht; bei dieser habe es sich – was vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe in Deutschland wirklich fast niemanden geläufig war – um die “verbotene Losung der SA” gehandelt.

Die FAZ schreibt: “das Gericht geht davon aus, daß Höcke, der vor seiner politischen Karriere Geschichtslehrer in Hessen war, diese Losung bewusst benutzt hat“. Das stimmt aber in mehrfacher Hinsicht nicht! 1) Das Gericht geht natürlich nicht “davon aus”, sonst wäre es ja befangen. Das Gericht soll in einem erst noch durchzuführenden Verfahren nach Durchführung einer Beweiserhebung erst noch zu einer Entscheidung kommen. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium könnte es allenfalls heißen: “die Staatsanwaltschaft geht offenbar davon aus…” (und deshalb hat sie die Anklage erhoben). 2) Aber: die StA geht eben auch nicht davon aus!

Das Gegenteil ist der Fall: der StA ist längst klargeworden, daß das von ihr angestrengte Strafverfahren nicht zu einer Verurteilung führen kann. Denn dazu müßte sie den Vorsatz beweisen. Das kann sie nicht. Die StA könnte allenfalls dem Gericht zu plausibilisieren versuchen – was freilich mehr als zweifelhaft wäre! – daß es eine allgemeine, soziale oder fachliche Erwartung gäbe, nach der ein Mann, der bis vor 10 Jahren u.a. als Geschichtslehrer gearbeitet hat, auch der Öffentlichkeit völlig unbekannte geschichtliche Randtatsachen und Seitendetails wie die angebliche “verbotene Losung der SA” zu jeder Tag- und Nachtzeit präsent im Kopf haben müsse.

Aber darauf käme es ohnehin nicht an, weil es nicht genügt, daß er es – angeblich – hätte wissen müssen. Sondern Wissen und Wollen zum konkreten Zeitpunkt des fraglichen Ausrufes wären zu beweisen. Das kann nicht gelingen. 3) Genau deswegen hat die StA jetzt (nach Eröffnung des Hauptverfahrens!) eilig eine weitere Anklage hinterhergeschoben, die sie mit der aussichtslosen Erstanklage (wohl rechtswidrig, weil bereits im Hauptverfahren und gegen den Willen des Angeklagten!) verbunden wissen will.

In dieser weiteren Anklage geht es um eine andere Höcke-Rede am 12. Dezember 2023 in Gera, bei der er – angeblich! – die “verbotene Losung” wiederholt haben soll. Und diesmal – meint offenbar die StA – muß er es (wegen des bereits laufenden Strafverfahrens) aber gewußt haben! Das ist sehr zweifelhaft. Denn, erstens, hat er die Worte gar nicht ausgesprochen, sondern nur die ersten beiden. (“Deutschland” haben dann einige der Zuhörer hinterhergerufen).

Und, zweitens: selbst wenn er die vermeintlich “verbotene Losung der SA” abermals ausgesprochen haben sollte (hat er aber nicht), dann hätte er sie noch lange nicht “verwendet”. Denn: wenn jemand wegen des Aussprechens dreier jeweils für sich ganz harmloser Worte vor der Großen Strafkammer des Landgerichts angeklagt wird – was in einem freiheitlichen Verfassungsstaat alles andere als selbstverständlich und auch im Rahmen der deutschen Gerichtsverfassung lachhaft ist, der Fall hätte selbstverständlich vor das Amtsgericht gehört! – dann muß er sich über diese Anklage, die er selbst natürlich als ungerecht empfindet, äußern können, und dies natürlich auch öffentlich.

Denn der Strafprozeß ist ja auch öffentlich, die StA gibt ja (in diesem Fall allerdings übereilt!) auch Presseerklärungen heraus! Folglich darf auch Höcke öffentlich über die Anklage reden. Und wenn er dies tut, dann darf er selbstverständlich auch sagen, wie denn die Worte lauten, wegen derer er angeklagt worden ist. Die FAZ darf ja auch schreiben, worum es geht – aber der Angeklagte soll darüber schweigen müssen, weil er ansonsten die angebliche Tat gleich nochmal, und diesmal erst so richtig, begeht?

Eine offensichtlich unsinnige Theorie der Staatsanwaltschaft. Prognose: rund um das Verfahren wird es wieder viel mediales Geschrei geben. Und am Ende wird es eine Pressekonferenz der Bundesinnenministerin Faeser geben, vielleicht wieder in Anwesenheit von BfV-Chef Haldenwang (falls er dann noch im Amt sein sollte), auf der sie sagt: so gehe es nicht weiter, also daß Höcke freigesprochen worden sei, die Gesetze müßten verschärft werden, die Bundesregierung bereite gerade eine Initiative vor…

Transparenzhinweis: RA Dr. Vosgerau gehört dem Strafverteidigerteam an.

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