Frieden schaffen - di russische Variante Foto: Steve Ikeguchi/Shutterstock

Gut gemeint, aber voll daneben (Reflexion über realitätsferne Worthülsen)

“Frieden schaffen, ohne Waffen”. Dass dieses Sprüchlein, von gewissen Kreisen (unter ihnen auch die Damen S. Wagenknecht und A. Schwarzer, von denen ich mehr Realitätsnähe erwartet hätte) im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg mantra-artig daher geplärrt wird, zeugt davon, dass diese Kreise nicht die geringste Ahnung von den Verhältnissen in den obersten Etagen der politischen Nomenklatura Russlands haben.

Von Quo usque tndem

Lassen Sie mich, geschätzter Leser, einen entscheidenden Aspekt dieser Verhältnisse mit folgendem bildlichem Beispiel erklären: Stellen Sie sich einen Postschlitten irgendwo in Sibirien vor, der von einem Rudel Wölfe verfolgt wird, die begierig sind, an die in dem Schlitten sitzenden Leckerbissen zu gelangen. Die Wölfe rennen mit aller Kraft, keuchend und mit heraushängender Zunge, aber sobald einer aus ihrer Schar in einem Schwächeanfall umkippt und liegen bleibt, vergisst das restliche Rudel Schlitten und Inhalt, um stattdessen über den geschwächten Kameraden herzufallen, ihn in Stücke zu reißen und zu verspeisen.

Eine analoge Situation haben wir in Bezug auf W. Putin, das ihn umgebende Rudel der Akteure an der Spitze der politischen Pyramide Russlands, und den Ukraine-Krieg.  Eine ganze Reihe dieser Akteure unterstützt Putin solange er erfolgreich ist, warten jedoch im Geheimen nur auf eine Schwächung seiner Stellung, um ihn zu stürzen und einen der ihren an seine Stelle zu setzen.

Als Putin den Ukrainekrieg vom Zaun brach, tat er dies unter dem Einfluss einer krassen Fehleinschätzung sowohl der Widerstandskraft des überfallenen Landes, als auch der generellen Stimmung in dessen Bevölkerung. Sein Kalkül war, eine Großteil der Ukraine in wenigen Tage überrennen zu können, unterstützt von wenigstens einem Teil der Bevölkerung, welche die “russischen Brüder” mit Jubel begrüßen würde. Durch den völlig anderen Verlauf der Invasion, welcher in krassem Widerspruch zu den in der russischen Öffentlichkeit geweckten Erwartungen steht, ist Putin in eine Sackgasse geraten: Er muss entweder liefern (Abtretung von etwa zwei Dritteln des ukrainischen Staatsgebiets an Russland und Einrichtung eines Satelliten-Regimes in der verbleibenden Rumpf-Ukraine), oder seine Wolf-Kameraden (pardon: -Genossen) fallen über ihn her. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Verhandlungen einzutreten (oder auch eine Reduzierung der militärischen Anstrengungen) würden für Putin politisch (und sehr wahrscheinlich auch physischen) Selbstmord bedeuten.

Vielleicht könnten die eingangs erwähnten Kreise den russischen Machthaber dazu bewegen, ein solches Schicksal zu akzeptieren, wenn sie nach Moskau reisen und ihr Sprüchlein vor dem Kreml zum Besten geben würden. Sollten sie damit das Missfallen Putins erregen, wären wir anderen als Kollektiv doch sicher bereit ihnen Zigaretten und Lebensmittelpakete in ihr neues Domizil in Sibirien zu schicken. Wie dem auch sei: Deutschland ist definitiv nicht der richtige Ort für die Rezitation von “Frieden schaffen ohne Waffen”- zumindest nicht mit Bezug auf die Ukraine.

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