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Europawahl: Schmerzliche Nachwehen

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Die Wende ist so gut wie vollendet, der Pendel schlägt nach vielen Jahren des Elends und des Leids wieder in die richtige Richtung aus, die Linken und Grünen sind bald politische Geschichte, oder die CDU reicht ihnen noch mal einen Strohhalm, an den sie sich eine Zeitlang hängen können, bevor sie dann endgültig und mehr als verdient untergehen und Europa wieder etwas durchatmen kann.

Aber wie das so ist mit den politisch Untergehenden: Sie zappeln und zetern und vergeuden so ihre letzte Luft, die sie eigentlich um atmen benötigen. Selbstkritik und sachliche Analysen sucht man dabei vergeblich. Rücktritte sind eh tabu, die würden ja Charakterstärke voraussetzen.

Hier einige Reaktionen auf das europäische Rechtsbeben, die die Hilflosigkeit und Verzweiflung der ehemals etablierten Parteien belegen:

Nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Europawahl fordert der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, von den Unionsparteien mehr Mut in der weiteren Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten. Winkel sagte der “Rheinischen Post” (Dienstagsausgaben): “Insgesamt brauchen wir noch mehr Mut, zum Beispiel bei den Themen Islamismus und Sicherheit, um Vertrauen zurückzugewinnen.”

Zugleich hob Winkel hervor, die Union habe bei der Europawahl “ein gutes Ergebnis erzielt, insbesondere bei den jungen Wählern dazugewonnen”. Hinsichtlich einer Entscheidung in der Frage der Kanzlerkandidatur gelte der vereinbarte Fahrplan: “Die K-Frage wird nach den Wahlen im Osten geklärt”, sagte Winkel.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, warnt vor Flügelkämpfen in ihrer Partei nach der Europawahl. “Das letzte, was die Partei gerade braucht, sind panische Flügelkämpfe”, sagte Brugger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). “Es braucht gemeinsame Verantwortung, keine schnellen Alibi-Schuldzuweisungen am Wahlabend.”

Zudem brauche es eine “ehrliche, schonungslose” Aufarbeitung des Wahlergebnisses. In der Partei ist zudem eine Debatte darüber angebrochen, ob überhaupt künftig noch ein Kanzlerkandidat benannt werden soll.

Dafür spricht sich der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar aus. Er sagt, die Vorbereitungen für die Bundestagswahl “rücken jetzt mehr in den Vordergrund” und damit auch die “Machtfrage”. Diese sei “von Seiten der Bündnisgrünen auch personell zu beantworten”. Das brauche dann “natürlich auch eine entsprechende Kandidatur.”

Gelbaar widerspricht damit dem Europaausschuss-Vorsitzenden Anton Hofreiter (Grüne). Der hatte zuvor den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt: “Klar ist, dass wir eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten nur aufstellen, wenn eine realistische Chance auf einen Wahlsieg besteht”, so Hofreiter. Und: “Nach dem heutigen Ergebnis muss man sich genau überlegen, ob das der Fall ist.” Es sei auf alle Fälle viel Arbeit nötig, fügte Hofreiter hinzu.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnt angesichts der starken AfD-Ergebnisse bei der Europawahl in Ostdeutschland vor einer wachsenden Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschen. “In sozialen Netzwerken lese ich nach der Europawahl jetzt Sätze wie: `Wo bleibt die Dankbarkeit der Ostdeutschen` Das sind Fragen, die wir jetzt gerade nicht brauchen”, sagte Ramelow dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (Dienstagsausgaben).

“Der Osten hat sich nicht zu entschuldigen. Man sollte ihn vielmehr als Chance begreifen. Stattdessen geht die emotionale Einheit zunehmend krachen. Dass man von Ostdeutschen Dankbarkeit erwartet, treibt diese Spirale weiter an.”

Mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September fügte Ramelow hinzu: “Die Ausgangslage ist schwierig. Aber Landtagswahlen sind Personalwahlen. Und alle Personalwahlen sind für die AfD nicht gut ausgegangen.” Er kritisierte, dass die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht gleichermaßen Ängste der Bürger ausschlachteten. “Früher, als wir den Namen `Partei des Demokratischen Sozialismus` in `Die Linke` umgewandelt haben, hat Sahra Wagenknecht gesagt, man dürfe den Sozialismus niemals aufgeben, auch nicht im Namen”, sagte der Linken-Politiker. “Jetzt sagt sie, wir sind nicht links und nicht rechts. Damit holt sich das BSW einen Auftrag für Inhaltsleere.”

Die AfD errang bei der Europawahl in Thüringen 30,7 Prozent, gefolgt von der CDU mit 23,2 Prozent und dem Bündnis Sahra Wagenknecht mit 15 Prozent. Die SPD erzielte 8,2 und die Linke 5,7 Prozent. Die Grünen und die FDP lagen unter fünf Prozent. In Westdeutschland waren die AfD-Ergebnisse deutlich niedriger.

Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann, Spitzenkandidat bei der Landtagswahl, fordert angesichts der Wahlerfolge der AfD bei der Europawahl in Ostdeutschland eine klare Reaktion seiner Partei. “Das starke Abschneiden der AfD in Ostdeutschland ist ein Zeichen tiefer Politikverdrossenheit, vor allem vieler Menschen auf dem Land”, sagte der CDU-Chef und Vorsitzende der Landtagsfraktion der “Welt” (Dienstagausgaben). “Die haben das Gefühl, dass ihnen Politiker der Ampel vorschreiben oder in TV-Talkshows erzählt wird, wie sie leben sollen.”

“Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen und zeigen, dass eine grundsätzlich andere Politik im anständigen Spektrum möglich und wählbar ist.” Vor allem die CDU, die gestärkt und vielerorts als letzte verbliebene Partei neben der AfD im Osten aus den Kommunalwahlen hervorgegangen sei, sei da gefordert. “Das geht nur dadurch, indem wir zu den Menschen hingehen, ihnen zuhören”, so Redmann.

Er kündigte an: “Ich werde mich im Landtagswahlkampf ganz auf die Dörfer und die kleinen Ortschaften konzentrieren, mein Ziel sind nicht die Marktplätze in den Städten. Mein wichtigstes Instrument in diesem Wahlkampf wird eine Holzbank sein, auf der man sich zu den Leuten setzen kann.”

Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer rechnet mit dem Europawahlkampf der SPD ab. Bei der Plakatkampagne auf Kanzler Olaf Scholz zu setzen, nennt er einen Fehler. “Es ist dem Kanzler nicht gelungen, die Stimmung zu drehen und ein Aufbruchssignal zu senden”, sagte Türmer dem “Spiegel”.

“Hätten wir die Wahl gewonnen, wäre es als Bestätigung der Ampel und Stärkung des Kanzlers gewertet worden. Nun haben wir sie verloren. Also gilt das Gegenteil.” Die SPD war bei der Europawahl am Sonntag auf 13,9 Prozent abgerutscht.

Türmer nennt das historisch schlechteste Ergebnis einen “Schlag in die Magengrube, aber mit Ansage”. Die Wahl sei eine Abstimmung über die Ampelpolitik gewesen “und über Olaf Scholz, den wir überall plakatiert haben”, sagte der Juso-Chef. Türmer fordert von Scholz im Haushaltsstreit mit der FDP mehr Härte. Lindner wolle mit dem nächsten Sparhaushalt nötige Investitionen blockieren und im Sozialbereich kürzen, kritisierte der Juso-Chef. “Das wäre fatal, und das darf Scholz ihm nicht durchgehen lassen.”

Die SPD müsse Lindners Warnung vor einem Koalitionsbruch kontern, so Türmer. “Wenn der FDP-Vorsitzende hart spielen will, müssen wir noch härter ins Powerplay gehen. Das gilt vor allem für den Kanzler. Er muss Lindner die Pistole aus der Hand und ihm selbst auf die Brust setzen.” Wenn Scholz mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verhandele, müsse er klarmachen: “Hier sitzt der sozialdemokratische Kanzler, der für sozialdemokratische Politik gewählt wurde. Er muss jetzt die Richtung vorgeben. Und wenn die FDP gehen will, soll sie gehen. Reisende soll man nicht aufhalten.”

Aber auch die anderen melden sich mal wieder zu Wort:

Der Präsident des Verbands Unternehmer Nordrhein-Westfalen, Arndt Kirchhoff, zeigt sich angesichts der Zuwächse an den politischen Rändern nach der EU-Wahl besorgt. Kirchhoff sagte der “Rheinischen Post” (Dienstagsausgaben): “Zwar sind die extremen und europafeindlichen Parteien weit von einer Mehrheit im Parlament entfernt. Allerdings wird die Mehrheitsfindung in dieser Legislaturperiode erneut kompliziert.”

Klar sei, dass der Kurs von Überregulierung, einseitigen Verboten und wirtschaftspolitisch nicht zu Ende gedachter Klimapolitik nach diesem Wahlausgang dringend korrigiert werden müsse, verlangte Kirchhoff. “Dies darf bei den anstehenden Personaldebatten auf keinen Fall in den Hintergrund rücken.”

Der Unternehmer-NRW-Präsident wertete das deutsche Votum gleichzeitig als ein eindeutiges Signal an die Ampel in Berlin, jetzt endlich den dringend erforderlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurswechsel herbeizuführen. “Ein `Weiter so` darf es nach diesem Wahlergebnis nicht geben. Überdies muss es nachdenklich stimmen, dass die bürgerliche Mitte nicht von den hohen Stimmenverlusten von SPD und Grünen profitieren konnte.”

Die gestiegene Wahlbeteiligung lobte der Verbandspräsident: “Die Bürgerinnen und Bürger erkennen zunehmend die zentrale Bedeutung der Europäischen Union für unser Land. Und wir können auch feststellen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland proeuropäische Parteien gewählt hat.”

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sieht im Ergebnis der Europawahlen einen klaren Aufruf zu einem Richtungswechsel. Er rief die Parteien am Montag dazu auf, den Wahlausgang sehr ernst zu nehmen: “Ein Weiter-so wird nicht funktionieren”, sagte Rukwied am Montag dem “Tagesspiegel” (Dienstagausgaben).

“Die Menschen, gerade in den ländlichen Räumen, haben das Signal gegeben, dass sie diese Politik nicht weiter akzeptieren. Wir brauchen jetzt einen Politikwechsel in Brüssel, aber auch in Berlin.”

Mit Blick auf die EU-Ebene sei insbesondere eine Aufstockung der Agrarfördermittel nötig. “Bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen in Brüssel muss aufgrund der erheblich angestiegenen Anforderungen das Agrarbudget deutlich ausgeweitet werden”, so Rukwied.

Geht es darum, wie die Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der nächsten Förderperiode ab 2028 verteilt werden, muss dem DBV-Präsidenten zufolge anders priorisiert werden: “Bei der Ausgestaltung der zukünftigen GAP müssen Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit stärker in den Fokus genommen werden.”

Sollten sich die Linksparteien von CDU bis zu den Grünen bei den anstehenden Landtagswahlen und dann der krönenden Bundestagswahl tatsächlich wieder nur auf einen Kampf gegen Rechts konzentrieren, war’s das mit ihnen. Denn die Bürger erwarten zurecht, dass die Parteien sich mal um sie kümmern und nicht immer wieder das Dritte Reich herbeischwören.

die Sprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, macht den Ampel-Parteien ebenfalls schwere Vorwürfe. “Rechte hatten in den letzten Monaten viel zu leichtes Spiel und konnten auch in meiner Generation viel zu viele Menschen überzeugen”, sagte Stolla den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Gleichzeitig hätten die Ampel-Parteien bei vielen wichtigen Themen an Glaubwürdigkeit eingebüßt. “Das kommt nicht von ungefähr: Die Preise sind gestiegen, Löhne und Bafög konnten damit nicht Schritt halten, beim Klimaschutz ist zu wenig passiert und der soziale Ausgleich ist viel zu oft hinten runtergefallen”, kritisierte Stolla, die seit Oktober 2023 gemeinsam mit Svenja Appuhn Bundessprecherin der Grünen Jugend ist.

Bei der Europawahl waren erstmals auch die 16- und 17-Jährigen wahlberechtigt. Unter den Jungwählern zwischen 16 und 24 Jahren zeigte sich dabei ein deutlicher Trend hin zu konservativen und rechten Parteien. Die Grünen hingegen verloren im Vergleich zur letzten Europawahl 2019 deutlich bei den Jungwählern.

Stolla sagte weiter, der Rechtsruck unter den jungen Menschen sei ein bitteres Ergebnis dieser Wahl. “Rechte spielen mit dem massiven Misstrauen in etablierte Parteien, dem Gefühl, nicht gesehen zu werden und nicht dazuzugehören. Sie versprechen, Kontrolle über eine Welt wieder herzustellen, die aus den Fugen zu geraten droht”, so die Grünen-Politikerin.

Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja fordert angesichts des eher schwachen Abschneidens seiner Partei bei der Europawahl in Ostdeutschland die Einbeziehung mehr ostdeutscher Politiker in der CDU-Parteiführung.

“Diese Wahl bezog sich sehr stark auf die Sichtbarkeit von Ursula von der Leyen und Friedrich Merz, aber keine Personen, die im Osten verankert sind”, sagte Czaja dem “Tagesspiegel”. Da gelinge es dann auch nicht, auf diesem Weg Vertrauen zu gewinnen.

In Ostdeutschland herrsche seiner Ansicht nach der berechtigte Eindruck vor, dass die gleichberechtigte Repräsentanz von Ost und West in der CDU noch nicht gegeben sei. Damit diese bei den kommenden Wahlen im Osten erfolgreich sei, brauche es um den Kanzlerkandidaten herum ein regional vielfältigeres Team, sagte Czaja. “Es geht jetzt darum, eine breite personelle Aufstellung zu haben und nicht nur wenige Köpfe allein aus Nordrhein-Westfalen.”

Weil es an ostdeutschem Personal in der CDU-Führung fehle, seien in der Partei auch Ansichten weniger stark vertreten, die viele Ostdeutsche teilten, beispielsweise gegenüber Russland sowie Waffenlieferungen an die Ukraine, sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete. “Ich bin der Auffassung, dass wir Ostdeutsche andere Erfahrungen im Umgang mit Russland mitbringen, die Westdeutsche so nicht gesammelt haben.”

Seiner Ansicht nach weite die jetzige Genehmigung der Bundesregierung, mit westlichen Waffen auch Ziele in Russland zu treffen, den Krieg möglicherweise noch aus. “Das wird bei vielen Menschen in Ostdeutschland sehr kritisch und mit Sorge verfolgt”, sagte Czaja dem “Tagesspiegel”. (Mit Material von dts)

 

 

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