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Zum Tod von Darja Dugina

Am 20. August wurde Alexander Dugins Tochter Darja durch einen Autobombenanschlag ermordet. Es ist zu vermuten, daß der prominenteste Vordenker des Eurasismus das eigentliche Ziel des Attentats war.

Ein Beitrag von Martin Lichtmesz für Sezession

Eine Filmaufnahme zeigt ihn am Tatort vor den brennenden Trümmern seines Wagens, an dessen Steuer seine Tochter saß, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, während ihm Grauen und Entsetzen ins Gesicht geschrieben stehen.

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB, so man ihm Glauben schenken mag, hat inzwischen eine mutmaßliche Täterin identifiziert: Eine Ukrainerin namens Natalia Vovk, geboren 1979, die sich nach der Tat über die Region Pskow nach Estland abgesetzt haben soll. Getarnt als Flüchtling aus der Volksrepublik Donezk, war sie am 23. Juli nach Moskau gekommen, hatte eine Wohnung im selben Wohnhaus wie Darja Dugina bezogen und diese offenbar wochenlang beschattet.

Sie hatte die ganze Zeit ihre zwölfjährige Tochter mit sich, vermutlich zum Zwecke der Tarnung. Am Tag der Tat war sie auf dem Festival “Tradizija” (“Tradition”) anwesend, an dem auch Dugina teilnahm, und hat dort den Sprengsatz gelegt.  Womöglich war sie auch Mitglied des Azow-Regiments und/oder der Nationalgarde. Der FSB vermutet außerdem, daß sie im Auftrag von ukrainischen Geheimdiensten unterwegs war. Dies wird natürlich von der ukrainischen Regierung bestritten.

Unterdessen hat der pro-ukrainische russische “Oppostionspolitiker” und Ex-Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow, der im Exil lebt, in einem Stream geradezu damit geprahlt, zu den Strippenziehern des Attentats zu gehören (freilich ohne ein direktes Bekenntnis abzulegen).

Demnach wäre Dugina, die unter dem Namen “Platonowa” als Journalistin tätig war, die primäre oder zumindest eine ebenbürtige Zielscheibe gewesen: Ihr Vater sei “das Gehirn” gewesen, sie die ausführende “Hand”, weshalb es “eine Menge Wut” auf sie gegeben habe. Es sei wohl Gottes Wille, daß Dugin überlebt hat, aber die Strafe sei für ihn jetzt noch viel schlimmer als der eigene Tod.

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Vermutlich handelt es sich hierbei um eine reine Propagandanummer. Ponomarjow präsentierte in demselben Stream eine Gruppe namens “Nationale Republikanische Armee” , die sich bereits jetzt innerhalb Rußlands partisanenartig formiert haben soll, mit dem Ziel, Putin gewaltsam zu stürzen. Er sprach davon, ein am Mossad und der IRA orientiertes Terrornetzwerk mit Unterstützung aus dem Westen aufzubauen, das “Vergeltung” an pro-putinistischen Oligarchen und anderen Unterstützern des Kremls verüben soll. Die Welt bezeichnet diesen wahrscheinlich fiktiven Verein als “nationale Widerstandsgruppe”.

Das “Framing” des Attentats in den deutschen (und sonstigen westlichen) Leitmedien ist bezeichnend, besonders, wenn man es mit den Krokodilstränen vergleicht, die anläßlich des Giftanschlags auf Alexander Nawalny flossen. Dugina und ihr Vater werden im Staatsfunk ständig mit Attributen wie “rechtsnationalistisch”, rechtsradikal”, “rechtsextremistisch”, “nationalistisch” etc. in Verbindung gebracht (in anglophonen Medien “far right” und ähnliches). In den sozialen Medien, wo es hemmungsloser zugeht, gelten sie gar als “Nazis” oder “Faschisten” – schäumender Haß von Leuten, die in ihrem Leben wohl keine einzige Zeile von Dugin gelesen haben.

Die Dugins werden außerdem als “glühende” oder “vehemente” Unterstützer “des russischen Angriffskriegs”, wenn nicht gar als dessen “Architekten” oder “Vordenker” präsentiert. Dabei werden auch immer wieder die handelsüblichen Mythen und Klischees über Dugin als “Putins Gehirn” oder “Einflüsterer” aufgewärmt.

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Mit diesen Etiketten soll natürlich suggeriert werden, daß es hier eine “Böse”, eine blutrünstige “Putin-Propagandistin” erwischt hat, die es im Grunde nicht anders verdient hat. Entsprechend getriggert und konditioniert reagiert auch das Publikum in den Kommentarspalten, z. B. unter diesem Artikel der Zeit:

“Die russische Politologin und Journalistin…” Das klingt als hätte die Frau irgendwas mit seriöser Arbeit zu tun gehabt. Wieso nennt man das Kind nicht beim Namen? Sie war eine ultranationalistische Propagandistin des Kremls, welche der Ukraine das Existenzrecht absprach.

Die Familie wollte den Krieg und hat ihn bekommen. Das Mitleid hält sich echt in Grenzen.

Tausende Menschen sterben und ein Opfer wird so herausgestellt? Es ist Krieg! Nicht nur die Soldaten und Zivilisten sollen sterben. Nein, an die Dahtzieher in den sicheren Stuben muss man kommen.

Warum erschüttert das mich nicht? Ist schade dass es den Pappi nicht getroffen hat.

Wenn man von “gut, liebevoll, hilfsbereit und offen” das exakte Gegenteil nimmt, hat man die Premiumhetzerin wahrscheinlich treffend beschrieben.

Bosselmann

Mit ähnlichen Sentiments darf jeder rechnen, dem im Westen dieselben Etiketten aufgepappt werden. Der britische Kommentator Morgoth bemerkte:

Die westlichen Medien bezeichnen Dugin nicht als ”Eurasianisten” oder ”Nationalbolschewisten”, sondern als “rechtsextrem”. Und wenn man bei Google nach “Alexander Dugin beeinflusst von…” sucht, stößt man auf Namen wie Evola, Schmitt, Guénon, Spengler und Nietzsche, zusammen mit einer Reihe russischer und jüdischer Marxisten.

Ihr seht gewiß die Gefahr, die hierin liegt. Wenn das Regime anfängt, wahllos ausländische Denker zu ermorden, deren Ansichten sich bis zu einem gewissen Grad mit unseren überschneiden, dann werden wir zuallermindest als noch größerer innerer Feind angesehen werden, als wir es derzeit ohnehin schon sind.

Ihr könnt natürlich beteuern, daß ihr Dugins Ideen verabscheut, aber die Entscheidung, in welche Schublade ihr gepackt werdet, wird vom Regime und nicht von euch getroffen.

Während nun bei den “Guten” (siehe etwa Nawalny oder auch “Butscha”) das gewünschte Narrativ von Tag Eins der Berichterstattung unumstößlich feststeht und nicht mehr in Frage gestellt werden darf, zeigen sich die Medien im Fall Dugina nicht nur überaus skeptisch, sondern schwelgen ungeniert in “Verschwörungstheorien” über eine mögliche “False flag”-Operation, etwa des FSB selbst, womöglich mit dem Ziel, die von Putin postum mit einem “Tapferkeitsorden” ausgezeichnete Journalistin zur “Märtyrerin” aufzubauen.

Die absurdeste Theorie dieser Art, die mir bislang unterkam, ist die Unterstellung, Dugin selber hätte seine Tochter bewußt zu diesem Zweck opfern lassen, wofür manche auch einen seiner esoterischen Texte über das christliche Mysterium des “göttlichen Kindes als Erlösungsopfer” ins Feld führen.

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Andere wiederum vermuten putinkritische Gruppen innerhalb Rußlands hinter dem Anschlag oder fragen sich, ob der messianische Philosoph Putin und dem Kreml lästig geworden ist. Spekulationen, die etwa David P. Goldman (alias “Spengler”)  in der Asia Times zurückwies: Dugins radikale, apokalyptische Reichsphilosophie decke sich nicht mit Putins eher pragmatischer Politik, die von Dugin wiederholt scharf kritisiert wurde. Deshalb ergäbe es keinen Sinn, Putin über Dugin anzugreifen. Sollte aber Dugin Putin tatsächlich ein Dorn im Auge gewesen sein, dann wäre das Attentat diskret von Profis durchgeführt worden und auch gelungen.

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