Freundliches Schiff? - Foto: AntonSAN/Shutterstock

NATO: Wie geht es nach dem Ukrainekrieg weiter?

Daß die NATO den Ukrainekrieg verloren hat, steht fest. Allenfalls wäre noch ein Unentschieden zu erreichen um den Preis der totalen nuklearen Zerstörung von allem. Die NATO hat das Material nicht, um in der Ukraine zu gewinnen und das Personal dazu hat sie erstrecht nicht. Das heißt für Westeuropa, daß es sich zum Zwecke seines eigenen Überlebens geopolitisch praktisch neu erfinden muß. Wenn nicht, wird die NATO zu dem Strick, an dem sich Westeuropa selbst erhängt.

von Max Erdinger

Die westeuropäische Nachkriegszeit läßt sich grob in zwei Epochen aufteilen. Da wäre einmal die des Kalten Krieges und dann noch die seit dem Zerfall der Sowjetunion, also die vergangenen dreißig Jahre. Für einen Zeitraum von knapp fünf Jahren zwischen 1991 und 1996 wurde durchaus die Daseinsberechtigung der NATO diskutiert. Der Grund für ihre Existenz, eine imperialistisch orientierte Sowjetunion, die als Ziel den Weltkommunismus hatte, war schließlich weggefallen. Spätestens ab 1996 jedoch fand in den USA ein Gesinnungswechsel statt. Ab da fragte man sich aus nachvollziehbaren Gründen, weshalb man die Tatsache, die einzig verbliebene Supermacht zu sein, nicht im eigenen Interesse nutzen sollte. Die Russen waren mit dem Erbe der Sowjetunion geschlagen und hatten wahrlich andere Dinge zu tun, als sich um die Welteroberung zu kümmern. Ab da nahm dann die NATO-Osterweiterung ihren Lauf. Der eigentliche Sinn der NATO aber, nämlich der, ein gemeinsames Verteidigungsbündnis zu haben, war nicht mehr da.

Das Leben der Westeuropäer war zu Zeiten des Kalten Krieges vergleichsweise komfortabel. Es fußte auf drei Voraussetzungen. Die erste war, daß die Amerikaner die Hauptlast der Verteidigungskosten trugen. Im Gegenzug durften die USA auch den Rahmen für die Geopolitik des “kollektiven Westens” – also auch den für Westeuropa – setzen. Westeuropa profitierte davon insofern, als daß es die Mittel, die es für seine eigene Verteidigung nicht aufbrachte, für andere Zwecke verwenden konnte, bspw. zur ausufernden Finanzierung diverser Sozialstaats- und Subventionsprogramme. Die zweite Voraussetzung: Versorgung mit billiger Energie aus Russland, die schon zu Zeiten des Kalten Krieges funktionierte. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der westeuropäischen Industrie konnte trotz der hohen sozialen Standards in der Arbeitswelt also durch billige Energielieferungen einigermaßen kompensiert werden. Die dritte Voraussetzung, die in den vergangenen Jahren immer mehr Gewicht bekommen hatte, war die, vergleichsweise billige Konsumgüter bspw. aus China zu beziehen.

Der amerikanische Albtraum

Rückblick: Ein amerikanischer Albtraum seit über 100 Jahren war es, daß sich Westeuropa – besonders Deutschland – nach Russland orientieren könnte, weil das Zusammenkommen westeuropäischen Know-Hows mit den russischen Ressourcen dazu geeignet gewesen wäre, die USA als die führende Wirtschaftsmacht der Welt eher über kurz als über lang in den Schatten zu stellen. Offiziell wird der Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 immer begründet mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour. Das mag zwar zutreffen, aber nicht ganz richtig dürfte sein, daß die Kriegserklärung Deutschlands und Italiens an die USA am 11. Dezember 1941 in den USA nicht einkalkuliert worden ist bei den Provokationen gegen Japan, die dann letztlich zum Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 geführt hatten. Japan war seit 1936 im Antikomintern-Pakt mit Deutschland. Italien kam im Jahr darauf hinzu. Bereits im Jahr 1940 wurde aus dem Antikominternpakt der sogenannte Dreimächtepakt und fortan war die Rede von den Achsenmächten und von der Achse Berlin-Rom-Tokio. Das heißt, daß in Washington mit dem Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 klar gewesen sein muß, mit wem man es zu tun hatte. Nämlich nicht nur mit Japan alleine, sondern eben auch mit Deutschland. Und das dürfte nicht ganz unwillkommen gewesen sein, denn Deutschland befand sich im Dezember 1941 bereits seit einem halben Jahr auf einem Eroberungsfeldzug gen Moskau, der im Dezember 1941 ganz danach aussah, als könnte er zum Erfolg führen. Das heißt, daß die Kriegserklärungen Deutschlands und Italiens an die USA am 11. Dezember 1941 in Washington nicht ganz unwillkommen gewesen dürften. Sie wurden auch am selben Tag beantwortet.

Der Ukrainekrieg

Nun ist es so, daß sich die USA im Jahr 1971 unter Präsident Nixon von der Bindung des US-Dollars an den Goldstandard gelöst hatten (Kündigung von “Bretton Woods” aus dem Jahr 1944). Seit etwa einem halben Jahrhundert entwickelte sich die US-Wirtschafts- und Finanzpolitik von einer wertegedeckten hin zu einer auf Schulden gestützen – womit ewiges Wirtschaftswachstum zur Unerläßlichkeit wurde, wenn der US-Dollar als Weltleitwährung Bestand haben sollte. Zwangsläufig bekam das US-Militär eine wichtige Funktion dazu. Es diente fortan nicht mehr nur der Verteidigung, sondern auch dazu, die Weltdominanz des US-Dollars zu erhalten, und sei es, daß dazu Raubzüge an den Ressourcen fremder Länder nötig werden würden, mit denen das so dringend benötigte Wirtschaftswachstum in den USA aufrecht zu erhalten war. Eines dieser ausgeplünderten Länder ist die Ukraine, die ihren natürlichen Voraussetzungen nach das Zeug dazu hätte, zur Schweiz Osteuropas zu werden und den Ukrainern einen sagenhaften Wohlstand zu ermöglichen. In der Ukraine finden sich die fruchtbarsten Böden der Welt und gerade im Donbass ein irrer Reichtum an seltenen und wertvollen Bodenschätzen. Tatsächlich war die Ukraine schon vor dem Krieg dort das Armenhaus Europas – und die Ukrainer das verarschteste und mißachtetste Volk der Welt auf den besten Böden der Welt. Westliche agro-industrielle Konzerne haben dort die Hälfte der gesamten verfügbaren Ackerflächen eingekauft. Verkauft worden sind sie ihnen von zuvor dort als “ukrainische Regierung” installierten US-Vasallen, die im Gegenzug ihren persönlichen Reibach machen durften (Oligarchen).

Zwei verschiedene Pferde

Nun wurden aber zwei Pferde zugleich geritten, die in zwei unterschiedlichen Richtungen unterwegs gewesen sind. Der internationale Freihandel führte dazu, daß immer mehre amerikanische Unternehmen ins Ausland abwanderten, wo sie billiger produzieren konnten als in den USA. Die Arbeitslosen der USA blieben allerdings den USA. Löhne wurden in anderen Weltgegenden bezahlt. Die USA entwickelten sich zunehmend zu einer Supermacht mit hypothetischem Reichtum, in der das Militär als Drohkulisse dafür sorgte, daß dieser hypothetische Reichtum, der mit allerlei Spekulations- und Buchungstricks samt Schuldverschreibungen auf die Zukunft funktionierte, vom Rest der Welt sprichwörtlich für “bare Münze” genommen werden muß.

Dabei laufen in den USA selbst sichtbare Bemühungen, den rein rechnerisch reichlich vorhandenen US-Dollar aus bedrucktem Papier in wirkliche Werte zu verwandeln. Ein sichtbares Zeichen dafür sind die schlanken Wolkenkratzer, die in den vergangenen Jahren als reine Wohntürme in der “Billionaire’s Row” in der Nähe des Central Parks von New York entstanden sind. Die stehen zu einem großen Teil leer. Sie sind nur etwa zur Hälfte bewohnt, sind aber reale Werte. Das derzeit teuerste Penthouse soll für 225 Millionen Dollar über den Tisch gehen, scheint aber unverkäuflich zu sein. Das teuerste Haus in Kalifornien war mit 500 Millionen angesetzt. Der Bauherr, ein Immobilienspekulant, bekam aber kein frisches Geld mehr – und verkauft wurde es dann für 164 Millionen. Sein Erbauer bleibt den Baufirmen und Dienstleistern etwa 300 Millionen Dollar schuldig. Das heißt, die USA haben ein gewaltiges Problem mit ihren Schulden, dadurch eines mit dem Erhalt des US-Dollars als Weltleitwährung – und das riesige Russland ist eine einzige Verlockung. Dort liegt die Lösung des Problems. Dort ist die Deckung der amerikanischen Schulden zu finden. Russland, das heißt: Ein Neuntel der gesamten Landmasse der Erde und unermeßliche Bodenschätze. Dummerweise verhindert aber Wladimir Putin die wirtschaftliche Ukrainisierung Russlands durch Amerikaner. Der natürliche Reichtum des Riesenreiches soll den Russen zugute kommen.

Worum es im Ukrainekrieg geht, ist der augenblicklich scheiternde Versuch, die Ukraine in eine Art Startrampe oder einen Aufmarschplatz zu verwandeln, von dem aus dann Russland zunächst filettiert werden könnte, um das Chaos unter den neu entstanden Teilrepubliken für amerikanische Wirtschaftsinteressen auszunützen. Daß die Ukraine vorher wirtschaftlich ausgelutscht wurde vom amerikanischen Vampir, kommt da nur noch obendrauf. Putin bewahrt also nicht nur die Russen davor, die neuen “Ukrainer” der Amerikaner zu werden, sondern er bewahrt auch Westeuropa davor, in den nächsten Jahrzehnten mit einem vormaligen Riesenreich im Osten beschäftigt zu sein, das sich in permanenten Kriegen der Teilrepubliken untereinander befindet. Man kann Putin gar nicht genug dafür danken, daß er die perfiden Pläne der USA durchkreuzt.

Die USA brauchen aber einen Krieg – und zwar dringend. Weil sich nun abzeichnet, daß das Ukraine-Abenteuer das nächste US-Desaster werden wird, scheinen sie nun China ins Auge gefasst zu haben. War vergangenes Jahr noch die Rede von einem Krieg mit China bis zum Jahr 2030, ist nun vom Jahr 2025 die Rede. Und zwar mit den europäischen NATO-Vasallen zusammen. Kompletter Wahnsinn in den Augen der Europäer.

Die NATO ist am Ende

Europa kann aus US-Sicht nicht aus seiner Vasallenschaft entlassen werden, weil sonst folgendes Szenario droht: Während die USA mit China beschäftigt sind und sich die Lage im Osten Europas wieder beruhigt, könnten die Westeuropäer versuchen, die Beziehungen zu Russland wiederzubeleben, wodurch dann der alte amerikanische Albtraum von einem wirtschaftsmächtigen Eurasien wiederauferstehen würde, während die militärischen Kräfte in China gebunden sind.

Es bleibt den Westeuropäern aber gar nichts anderes übrig, als sich von den USA zu trennen und damit auch die NATO zu beerdigen, wenn sie nicht in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit zurückfallen und ihren Lebensstandard völlig gar opfern wollen. Schon aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus braucht Westeuropa Russland als Lieferanten von Energie und anderen Rohstoffen. Und aus demselben Grund – seine eigenen hohen Produktionskosten sind ursächlich – braucht es China als Lieferanten billiger Konsumgüter. Und drittens wird Europa Mittel & Wege finden müssen, sich militärisch selbst abzusichern. Das wird nicht billig. Trotzdem ist ein Verbleib in der NATO völlig ausgeschlossen. Das ist kein Verteidigungsbündnis mehr, sondern ein militärisches Machrtinstrument in den Händen einer gezwungenermaßen aggressiven “Neuen Welt”, in welchem die Europäer den “Ausputzer” machen sollen. Es ist ja jetzt schon so, daß im rein theoretischen Fall – ein reines Gedankenexperiment hier – eines ukrainischen Kriegsgewinnes, Europa den Krieg trotzdem verloren hätte, weil auch nach einem ukrainischen Sieg die Verbindungen nach Russland gekappt bleiben würden. Gerade dann!

Dieser ganze Schnack von der energiepolitischen Unabhängigkeit Westeuropas über “erneuerbare Energien” und ohne Nutzung der Kernkraft, der von der grünen Deep-State-Truppe heruntergebetet wird, ist nichts als reine Augenwischerei zur Verschleierung des Sachverhalts, daß die USA über das militärstrategische Vasallentum der Europäer in die Lage versetzt werden, sich einen großen Wirtschaftskonkurrenten, die EU, auf den internationalen Märkten vom Leibe zu halten. Wo mangels Energie nichts produziert werden kann, kann auch nichts exportiert werden. Wo nichts exportiert werden kann, kann auch nichts verdient werden. Wo nichts verdient wird, können keine Waffen gekauft werden. Wo keine Waffen gekauft werden, herrscht die Abhängigkeit von den USA. Und wo die wenigen Waffen, die vorher dagewesen sind, in die Ukraine “verschenkt” worden sind – nach einem russischen Sieg werden sie als verschenkt gelten müssen – fehlen sie später, um sich wegen eigener Neuorientierung gegen eine notfalls anstehende “Züchtigung” durch die USA zu wehren.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Für die Europäer spielt es keine Rolle mehr, ob der Krieg in der Ukraine verloren geht. Sie selber haben auf jeden Fall verloren. Eine Chance gibt es allerdings noch. Da Russland ganz ohne Zweifel bereits gewonnen hat – und nur das Gemetzel noch ein Weilchen weitergeht -, müssten sich die Europäer aller derjenigen entledigen, mit denen die Russen aus sehr verständlichen Gründen weder zu Kriegs- noch zu Friedenszeiten jemals wieder reden wollen, weil sie ihnen nicht mehr trauen – und in einem nächsten Schritt müssten sie die NATO verlassen und ein eigenes, von den USA unabhängiges Militärbündnis schmieden. An der Seite der USA gibt es für Europa jedenfalls auf Jahrzehnte hinaus keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. Die sind kein “Verbündeter & Partner” mehr, sondern die sind zum Feind mutiert, jederzeit dazu bereit, die Westeuropäer über die Klinge springen zu lassen, um sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Daran kann spätestens seit der Sprengung von Nordstream 1 & 2 nicht der geringste Zweifel mehr bestehen. Es gibt für Europa unter sämtlichen Aspekten keine Alternative zu einer freundschaftlichen Beziehung mit Russland.

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