Hat wieder Hochkonjunktur: Denunziation (Foto: Gajus/ Shutterstock)

Neues Meldegesetz: Die hohe Schule des Denunziantentums

von Daniel Matissek

Seit rund sechs Wochen ist das neue “Hinweisgeberschutzgesetz” der Ampel in Kraft – und langsam, aber sicher entfaltet es gruselige Wirkung. Behörden und  Ämter, Institutionen, NGO’s, Firmen und Initiativen beginnen, intern eigene Meldestellen zu errichten oder solche neu zu etablieren, Anlaufstellen, bei denen sich reihenweise namentlich und vor allem anonyme “Hinweisgeber” betätigen können, um alles, was Linken ein Dorn im Auge ist, zu verpetzen, zu denunzieren und einer anschließenden Kriminalisierung zu unterziehen.

Die Politisierung des Alltags durch Totschlagbegriffe für jegliche Form von konfliktbehafteter Interaktion im gesellschaftlichen Raum inklusive Privatleben, die sich in den letzten 10 Jahren unmerklich vollzogen hat, hat bereits alle erdenklichen Alltagssituationen Minenfelder gemacht. Gespräche übers Wetter sind neuralgische Einfallstore für Klimaleugnung. Für alles gibt es “Ismen” und “Phobien” zur Ausgrenzung und griffigen Aburteilung: Wer Muezzinrufe oder Burka- und Kopftuchparaden in Innenstädten ablehnt, ist islamophob. Wer Frauen Komplimente macht, ist Sexist, wer mit einem Schwarzen oder Migranten aus welchem Grund auch immer aneinandergerät, ist Rassist und Diskriminierer. Wer Globalismus kritisiert, ist Antisemit. Wer andere Meinungen vertritt, ist “abgedriftet”, Schwurbler. Wer Impfungen kritisch sieht oder Hygienemaßnahmen und Masken ablehnt, ist Verschwörungstheoretiker oder gar Lebensgefährder. Wer sich an unkontrollierter Zuwanderung stößt, ist Nazi. Wer einen Witz über die Figur macht, betreibt Fat- oder Bodyshaming, wer Behinderte zu gut oder zu schlecht behandelt, übelsten Ableismus. Und wer jemanden nach seinem biologischen, offensichtlichen Geschlecht anredet, macht sich der Transphobie verdächtigt und darf bei “Deadnaming” bald vierstellige Bußgelder ablatzen.

Wer sicher sein will, verpetzt als erster

Die Linken haben das ganze Land mit einem Netz an Denkverboten, sprachlichen Alarmbojen und Tugendstraftatbeständen überzogen, in dem sich früher oder später jeder verfangen muss. Doch das genügt ihnen nicht mehr: Die Zerstörung des sozialen Miteinanders und Zusammenhalts, die totale Spaltung ist erst dann vollkommen, wenn sich auch noch alle gegenseitig verdächtigen und anschwärzen. Und genau hier kommt das die gesetzliche Ertüchtigung zum Meldestellen-Unwesen ins Spiel. Perfiderweise wird das eigentliche Whistleblowing, das klassischerweise die Aufdeckung von kriminellen Machenschaften und Skandalen in klandestinen Großorganisationen meinte, durch das Gesetz begrifflich vermengt mit der Gesinnungsdenunziation unerwünschter Ansichten, Handlungen oder Verhaltensweisen . Jeder, dem irgendetwas im Großen wie im Kleinen, im Beruflichen wie Privaten nicht passt, darf sich als “Enthüllen”, als heldenmutiger “Whistleblower” fühlen und andere “melden”.

Ob Privatpersonen oder Unternehmer: Hemmungsloses Denunzieren ist angesagt – mit einem besonderen Schutzbonus für den, der zuerst zur Petze wird: Derjenige ist nämlich selbst vor Denunzierungen geschützt und genießt fortan noch einen besonderen staatlichen Zeugenschutz. Denn wer einen Spitzel enttarnt, dem drohen 50.000 Euro Strafe – so will es das Gesetz.

Wer also auf der sicheren Seite sein will, greift zuerst zum Hörer oder geht online, um sich bei einer der zahllosen Meldestellen als heldenhafter “Whistleblower” zu betätigen und seine Mitmenschen zu beschuldigen.  Das Motto lautet, wie “Tichys Einblick” treffend schrieb: “Verpfeife Deinen Nachbarn, bevor er Dich verpfeift.”

Rückkehr zur Stasi-Ära

Dank der Zusicherung von Anonymität können sogar Geheimnisträger und Personen, die eigentlich einer besonderen Vertrauensstellung unterliegen, nach Herzenslust denunzieren: Journalisten, Steuerberater, Anwälte, Bankangestellte, die ihre eigenen Klienten verraten, dürften künftig keine Ausnahmen mehr darstellen.

Dass das, was hier gerade ohne großen medialen Aufschrei und ohne zivilen Widerstand geräuschlos installiert wird, sogar die kühnsten Visionen der Stasi in den Schatten stellt, die damals noch mit analogen Systemen operieren musste, scheint in Deutschland selbst erstaunlicherweise keinem aufzufallen. Ausgerechnet im Ausland wird diese Gefahr jedoch mit wachsender Beunruhigung gesehen. Der “Telegraph” titelt unumwunden: „Deutschlands neues Whistleblower-Gesetz riskiert Rückkehr zur Stasi-Ära“.

Einmal mehr muss an die prophetischen Worte der verstorbenen DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley  erinnert werden, die 1991 sagte: “Die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.”

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