Immer unübersichtlichere Wahllisten, immer weniger politische Gestaltungskraft (Symbolbild:Imago)

Zersplitterung der Opposition: Noch nie gab es so viele Parteigründungen wie heute

Am Montag wird Sahra Wagenknecht die lang erwartete Gründung ihrer eigenen Partei offiziell bekanntgeben. Bereits bei einer Lesung am Donnerstag bestätigte sie jedoch ihr Vorhaben. Sie hoffe auf Erfolg und darauf, dass die Partei etwas verändere, „weil ich wirklich das Gefühl habe, das braucht es jetzt. So wie es jetzt ist, darf es und muss es nicht weitergehen”, erklärte sie. Es sei an der Zeit, Neues zu schaffen. Sie wolle „irgendwann nicht sagen müssen: Da war ein Zeitfenster, da hättest du was ändern können und du hast es nicht gemacht“. Sie mache sich Sorgen darüber, wohin das Land in Zukunft steuere, sagte sie weiter. Die Ampel bezeichnete sie als „die schlechteste Regierung, die die Bundesrepublik je hatte”. Mit ihrer Partei will sie linke Sozialpolitik mit strikter Asylpolitik und einer Abkehr von allzu scharfem Klimaschutz verbinden. Diese Kombination, verbunden mit Wagenknechts landesweiter Bekanntheit, könnten ihr tatsächlich einen beträchtlichen Startvorteil haben, den andere Neugründungen nicht haben.

Davon gibt es derzeit so viele wie noch nie in der Bundesrepublik. Das alte System hat so gründlich abgewirtschaftet, dass es immer weniger Menschen bindet. Die unfassbare Inkompetenz der aktuellen Regierung und die dadurch verursachten existenziellen Bedrohungen beschleunigen diesen Prozess noch weiter. Neue Mehrheiten jenseits der immer gleichen Koalitionsarithmetik scheinen plötzlich möglich zu sein. In Bayern konnten sich die Freien Wähler nicht nur fest etablieren, sondern in kurzer Zeit sogar zur Regierungspartei werden. Trotz permanenter Dämonisierung liegt die AfD in Umfragen konstant bei über 20 Prozent, in Ostdeutschland könnte sie vielerorts gar zur neuen Volkspartei werden.

Fragmentierung der politischen Landschaft

Zugleich beschleunigen die vielen jüngeren, aktuellen und bevorstehenden Parteigründungen die Fragmentierung der politischen Landschaft und zementieren den Stillstand, weil sich so stabile neue Bündnisse immer schwerer erreichen lassen. Die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry gründete mit den „Blauen“ eine eigene, äußerst kurzlebige Partei. Ihr Nachfolger als AfD-Parteichef, der ebenfalls die Partei verließ, versuchte sich mit der “Deutschen Zentrumspartei” und ging noch schneller baden. Nicht viel besser erging es dem AfD-Mitgründer Bernd Lucke mit seinem 2015 ins Leben gerufenen Projekt ALFA und später auch den nur in NRW lokal relevanten “Liberal-Konservativen Reformern” (LKR). Die “Piraten” versanken nach anfänglichen Wahlerfolgen ebenfalls wieder in der Versenkung. 2020 gründeten Gegner der Corona-Maßnahmen die Partei „Die Basis“. Ebenfalls im marginalen Bereich dümpelt das “Bündnis Deutschland”, und auch der Ökonom Markus Krall – obwohl er  nicht weniger als die Halbierung der CDU mit seiner eigenen Gründung plant – dürfte die 5-Prozent-Hürde eher verfehlen.

Der Grund: Es handelt es sich bei all diesen größtenteils um Splittergruppen, die bestimmte Themen aufgreifen, damit vielleicht hier und da vereinzelte Erfolge erzielen, aber auf Dauer keine Überlebenschance haben. Letztlich wird eine grundsätzliche Opposition gegen das bestehende System damit verhindert, da man sich gegenseitig Stimmen wegnimmt, dies nur alle vier Jahre wieder ändern kann und damit Zeit vergeudet wird, die Deutschland nicht mehr hat. Einerseits ist es zwar erfreulich, dass das Parteienkartell aufbricht, allerdings ist der Preis dafür eine völlige Zersplitterung der politischen Landschaft, die das Land auf ihre Art ebenfalls paralysiert. Geschwächt wird am Ende also nur die AfD, die als Realopposition und einzige erfolgreiche neue Kraft inzwischen stärkste Partei im Land geworden ist. (TPL)

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