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Pulitzer-Preisträger Seymor Hersh ist sicher: Die Amerikaner haben Nordstream 2 gesprengt

Der US-Investigativjournalist Seymour „Sy“ Hersh ist sich sicher: Hinter der Sprengung von Nordstream 2 stecken die Amerikaner unter Beteiligung der Norweger. In einer akribischen und ellenlangen Reportage zeichnet er die Planung und Durchführung des bisher größten Terroranschlags auf die deutsche Energieversorgung nach und beruft sich auf eine interne Quelle. Die Biden-Regierung und auch Norwegen weisen den Vorwurf als “völlig und vollkommen falsch” zurück. Im Mainstream wird sofort versucht, die Enthüllung des Jahres klein zu schreiben und den Pulitzer-Preisträger und langjährigen renommierten Autor des The New Yorker zu diskreditieren. 

Der 85-jährige Journalist “Sy” Hersch ist eine Legende und er holt noch einmal zum großen Schlag aus. Auf seinem Blog veröffentlicht er unter dem Titel “How America Took Out The Nord Stream Pipeline” die gesamte Planung und Durchführung der Sprengung von Nordstream 2 und nennt die Verantwortlichen und Beteiligten beim Namen.

Bereits im vergangenen Juni hätten hochqualifizierte Tiefseetaucher des Tauch- und Bergungszentrum der in Panama City gelegenen US-Marine, die unter dem Deckmantel einer weit verbreiteten Nato-Mittsommerübung namens BALTOPS 22 operierten, den ferngezündeten Sprengstoff, der drei Monate später drei der vier Nord-Stream-Pipelines zerstörte, plaziert. Hersh beruft sich auf eine Quelle mit direkte Kenntnis der operativen Planung.

Um einen Kommentar gebeten, habe Adrienne Watson, eine Sprecherin des Weißen Hauses, in einer E-Mail erklärt: “Das ist eine falsche und vollständige Fiktion.” Tammy Thorp, eine Sprecherin der Central Intelligence Agency, antwortete ähnlich: “Diese Behauptung ist vollkommen falsch.“

Hersh weiter: Bidens Entscheidung, die Pipelines zu sabotieren, sei nach mehr als neun Monaten streng geheimer Hin- und Her-Debatte innerhalb der nationalen Sicherheitsgemeinschaft Washingtons gefallen. Es habe einen wichtigen bürokratischen Grund gegeben, sich auf die Absolventen der Tauchschule des Zentrums in Panama City zu verlassen. Die Taucher gehören zur Navy und sind so keine Mitglieder des amerikanischen Special Operations Command, dessen verdeckte Operationen dem Kongress gemeldet und im Voraus der Führung des Senats und des Repräsentantenhauses – der sogenannten Gang of Eight – gebrieft werden müssen.

Fakt ist: Präsident Biden und sein außenpolitisches Team – der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und Victoria Nuland, die Unterstaatssekretärin für Politik – haben aus ihrer feindseligen Haltung gegenüber den beiden Pipelines nie einen Hehl gemacht, denn sie versorgte unter Umgehung der Ukraine Deutschland zuverlässig mit billigem russischem Gas. Putin hatte damit eine zusätzliche und dringend benötigte Haupteinnahmequelle. Deutschland und der Rest Westeuropas begaben sich damit in eine Abhängigkeit zu Russland, machten sich aber von den USA unabhängiger.

Von Anfang an sei Nord Stream 1 von Washington und seinen antirussischen NATO-Partnern als Bedrohung der westlichen Dominanz angesehen worden, so Hersh. Der Bau und die Genehmigung von Nord Stream 2, passte den USA demnach noch weniger in ihren Plan.

Inzwischen hatten sich russische Truppen stetig und bedrohlich an den Grenzen der Ukraine aufgebaut. Ende Dezember waren mehr als 100.000 Soldaten in Position, um von Weißrussland und der Krim aus zuzuschlagen. In Washington wuchs die Beunruhigung, einschließlich einer Einschätzung von Blinken, dass diese Truppenzahlen „in kurzer Zeit verdoppelt“ werden könnten, weiß Hersh.

Die Aufmerksamkeit richtete sich erneut auf Nord Stream. Solange Europa von den Pipelines für billiges Erdgas abhängig blieb, befürchtete Washington, dass Länder wie Deutschland zögern würden, der Ukraine das Geld und die Waffen zu liefern, die sie brauchten, um Russland zu besiegen. In diesem Moment habe Biden Jake Sullivan ermächtigt, eine behördenübergreifende Gruppe zusammenzubringen, um einen Plan auszuarbeiten.

Im Dezember 2021, zwei Monate bevor die ersten russischen Panzer in die Ukraine rollten, berief Jake Sullivan ein Treffen einer neu gebildeten Task Force ein – Männer und Frauen der Joint Chiefs of Staff, der CIA und des Außenministeriums und des Finanzministeriums – und fragte sie um Rat, wie auf Putins bevorstehende Invasion zu reagieren sei.

“Es wäre das erste einer Reihe streng geheimer Treffen in einem sicheren Raum im obersten Stockwerk des Old Executive Office Building neben dem Weißen Haus, das auch die Heimat des Foreign Intelligence Advisory Board (PFIAB) des Präsidenten war. . Es gab das übliche Hin und Her, das schließlich zu einer entscheidenden Vorfrage führte: Wäre die Empfehlung, die die Gruppe an den Präsidenten weiterleitete, reversibel – wie eine weitere Ebene von Sanktionen und Währungsbeschränkungen – oder irreversibel – das heißt, kinetische Aktionen, die konnte nicht rückgängig gemacht werden?

Was den Teilnehmern laut der Quelle mit direkter Kenntnis des Prozesses klar wurde, war, dass Sullivan beabsichtigte, dass die Gruppe einen Plan für die Zerstörung der beiden Nord-Stream-Pipelines vorlegte – und das er damit den Wünschen Präsident Biden entsprach”, behauptet Hersh in seiner Recherche.

In den nächsten Sitzungen hätten die Teilnehmer Optionen für einen Angriff diskutiert. Die Marine schlug vor, ein neu in Dienst gestelltes U-Boot einzusetzen, um die Pipeline direkt anzugreifen. Die Air Force diskutierte den Abwurf von Bomben mit verzögerten Zündern, die aus der Ferne gezündet werden könnten. Die CIA argumentierte, dass alles, was getan werde, verdeckt sein müsse. hier ging es nicht um “Kinderkram” wußten die Beteiligten, denn wenn der Angriff auf die Vereinigten Staaten zurückverfolgt werden könnte, handelte sich um nicht weniger als eine Kriegshandlung.

Hersh´s Recherche liest sich wie ein Krimi:

“Damals wurde die CIA von William Burns geleitet, einem sanftmütigen ehemaligen Botschafter in Russland, der als stellvertretender Außenminister in der Obama-Administration gedient hatte. Burns autorisierte schnell eine Arbeitsgruppe der Agentur, zu deren Ad-hoc-Mitgliedern – zufällig – jemand gehörte, der mit den Fähigkeiten der Tiefseetaucher der Marine in Panama City vertraut war. In den nächsten Wochen begannen Mitglieder der CIA-Arbeitsgruppe, einen Plan für eine verdeckte Operation auszuarbeiten, bei der Tiefseetaucher eine Explosion entlang der Pipeline auslösen sollten.

So etwas hatte es schon einmal gegeben. 1971 erfuhr die amerikanische Geheimdienstgemeinschaft aus noch unbekannten Quellen, dass zwei wichtige Einheiten der russischen Marine über ein im Ochotskischen Meer an der russischen Fernostküste vergrabenes Unterseekabel miteinander kommunizierten. Das Kabel verband ein regionales Marinekommando mit dem Hauptquartier auf dem Festland in Wladiwostok.

Ein handverlesenes Team von Agenten der Central Intelligence Agency und der National Security Agency wurde irgendwo in der Gegend von Washington unter strenger Deckung zusammengestellt und arbeitete einen Plan aus, der Navy-Taucher, modifizierte U-Boote und ein Tiefsee-Rettungsfahrzeug einsetzte, um das russische Kabel zu lokalisieren. Die Taucher installierten ein ausgeklügeltes Abhörgerät auf dem Kabel, das den russischen Verkehr erfolgreich abhörte und auf einem Tonbandgerät aufzeichnete.

Die NSA erfuhr, dass hochrangige russische Marineoffiziere, die von der Sicherheit ihrer Kommunikationsverbindung überzeugt waren, unverschlüsselt mit ihresgleichen schwatzten. Das Aufnahmegerät und sein Band mussten monatlich ausgetauscht werden, und das Projekt lief ein Jahrzehnt lang fröhlich weiter, bis es von einem vierundvierzigjährigen zivilen NSA-Techniker namens Ronald Pelton, der fließend Russisch sprach, kompromittiert wurde. Pelton wurde 1985 von einem russischen Überläufer verraten und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er erhielt von den Russen nur 5.000 Dollar für seine Enthüllungen über die Operation, zusammen mit 35.000 Dollar für andere russische Betriebsdaten, die er zur Verfügung stellte und die nie veröffentlicht wurden.

Dieser Unterwassererfolg mit dem Codenamen Ivy Bells war innovativ und riskant und lieferte unschätzbare Informationen über die Absichten und Planungen der russischen Marine.

Dennoch war die behördenübergreifende Gruppe zunächst skeptisch gegenüber der Begeisterung der CIA für einen verdeckten Tiefseeangriff. Es gab zu viele unbeantwortete Fragen. Die Gewässer der Ostsee wurden stark von der russischen Marine patrouilliert, und es gab keine Ölplattformen, die als Deckung für einen Taucheinsatz dienen konnten. Müssten die Taucher nach Estland, direkt hinter die Grenze von Russlands Erdgas-Verladedocks, um für die Mission zu trainieren?”

Trotz zahlreicher Warnungen habe die CIA-Arbeitsgruppe Anfang 2022 an Sullivans behördenübergreifende Gruppe berichtet: “Wir haben eine Möglichkeit, die Pipelines zu sprengen.”

Am 7. Februar, weniger als drei Wochen vor der scheinbar unvermeidlichen russischen Invasion in der Ukraine, traf sich Biden in seinem Büro im Weißen Haus mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der nach einigem Wackeln nun fest im amerikanischen Team stand und erklärte der Welt bei der anschließenden Pressekonferenz unverhohlen: “Wenn Russland einmarschiert…es wird keine Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende bereiten.“

Hersh: “Zwanzig Tage zuvor hatte Unterstaatssekretär Nuland bei einem Briefing des Außenministeriums im Wesentlichen die gleiche Botschaft übermittelt, ohne dass die Presse darüber berichtete. „Ich möchte Ihnen heute ganz klar sagen“, antwortete sie auf eine Frage. „Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird Nord Stream 2 auf die eine oder andere Weise nicht vorankommen.“ Mehrere der an der Planung der Pipeline-Mission Beteiligten waren bestürzt über das, was sie als indirekte Hinweise auf den Angriff betrachteten. „Es war, als würde man in Tokio eine Atombombe auf den Boden legen und den Japanern sagen, dass wir sie zünden werden“, sagte die Quelle. „Der Plan war, dass die Optionen nach der Invasion ausgeführt und nicht öffentlich beworben werden. Biden hat es einfach nicht verstanden oder ignoriert.“

Die Indiskretion von Biden und Nuland, wenn es denn so war, könnte einige der Planer frustriert haben. Aber es hat auch eine Chance geschaffen. Laut der Quelle stellten einige hochrangige Beamte der CIA fest, dass die Sprengung der Pipeline „nicht länger als verdeckte Option angesehen werden kann, weil der Präsident gerade angekündigt hat, dass wir wissen, wie es geht“.

Der Plan, Nord Stream 1 und 2 in die Luft zu sprengen, wurde plötzlich von einer verdeckten Operation, bei der der Kongress informiert werden musste, zu einer Operation herabgestuft, die als streng geheime Geheimdienstoperation mit Unterstützung des US-Militärs angesehen wurde. Nach dem Gesetz erklärte die Quelle: „Es gab keine gesetzliche Verpflichtung mehr, die Operation dem Kongress zu melden. Alles, was sie jetzt tun mussten, war es einfach zu tun – aber es musste immer noch geheim sein. Die Russen haben eine superlative Überwachung der Ostsee.“

Die Mitglieder der Agency-Arbeitsgruppe hatten keinen direkten Kontakt zum Weißen Haus und wollten unbedingt herausfinden, ob der Präsident meinte, was er gesagt hatte – das heißt, ob die Mission jetzt erfolgreich war. Die Quelle erinnerte sich: „Bill Burns kommt zurück und sagt: ‚Mach es.‘“

DIE OPERATION

Norwegen war der perfekte Standort für die geplante Mission.

“In den letzten Jahren der Ost-West-Krise hat das US-Militär seine Präsenz in Norwegen, dessen westliche Grenze 1.400 Meilen entlang des Nordatlantiks verläuft und oberhalb des Polarkreises mit Russland verschmilzt, enorm ausgebaut. Das Pentagon hat inmitten einiger lokaler Kontroversen hochbezahlte Arbeitsplätze und Verträge geschaffen, indem es Hunderte von Millionen Dollar investierte, um Einrichtungen der amerikanischen Marine und Luftwaffe in Norwegen zu modernisieren und zu erweitern”, so Hersh. Ein weiteres Argument sprach für Norwegen: “Sie hassten die Russen, und die norwegische Marine war voll von hervorragenden Seeleuten und Tauchern, die über Generationen an Erfahrung in der hochprofitablen Tiefsee-Öl- und Gasexploration verfügten“, so die Hersh-Quelle. “Man konnte ihnen vertrauen, die Mission geheim zu halten. (Die Norweger hatten möglicherweise auch andere Interessen. Die Zerstörung von Nord Stream – wenn die Amerikaner es schaffen würden – würde es Norwegen ermöglichen, erheblich mehr seines eigenen Erdgases nach Europa zu verkaufen.)”

Im März flogen einige Mitglieder des Teams nach Norwegen, um sich mit dem norwegischen Geheimdienst und der Marine zu treffen und den besten Platz für den Sprengstoff zu finden.  Die norwegische Marine wurde schnell fündig: der richtigen Ort befand sich in den seichten Gewässern der Ostsee, ein paar Meilen vor der dänischen Insel Bornholm, auch die Gezeitenströmngn sind nicht stark , was den Tauchern die Arbeit erleichterte. Nach der Recherche waren die Amerikaner im Boot.

Nun hatten die Norweger und Amerikaner zwar den Standort und ihre hochqualifizierten Taucher aus dem Marine Stützpunkt in Panama City, doch eine Sorge trieb sie noch um. Jede ungewöhnliche Unterwasseraktivität in den Gewässern vor Bornholm könnte die Aufmerksamkeit der schwedischen oder dänischen Marine auf sich ziehen und Fragen aufwerfen. Auch hier gab es schnell eine Lösung.

Die Norweger machten gemeinsame Sache mit den Amerikanern bestanden aber darauf, daß  einige hochrangige Beamte in Dänemark und Schweden allgemein über mögliche Tauchaktivitäten in der Gegend informiert werden müssten. “Auf diese Weise könnte jemand höher eingreifen und einen Bericht aus der Befehlskette heraushalten und so den Pipeline-Betrieb isolieren. „Was ihnen gesagt wurde und was sie wussten, war absichtlich anders“, erklärt die Hersh-Quelle. Die norwegische Botschaft, die gebeten wurde, diese Geschichte zu kommentieren, sei eine Antwort schuldig geblieben, so der Pulitzer-Preisträger Hersh.

Die Norweger waren der Schlüssel zur Lösung anderer Hürden. Es war bekannt, dass die russische Marine über Überwachungstechnologie verfügte, die in der Lage war, Unterwasserminen zu entdecken und auszulösen. Die amerikanischen Sprengkörper mussten so getarnt werden, dass sie für das russische System als Teil des natürlichen Hintergrunds erscheinen – was eine Anpassung an den spezifischen Salzgehalt des Wassers erforderte, wie die Norweger wußten.

Auch bei der entscheidende Frage, wann die Operation stattfinden soll, halfen die Norweger. Seit 21 Jahren sponsert die amerikanische Sechste Flotte, deren Flaggschiff in Gaeta, Italien, südlich von Rom, stationiert ist, jeden Juni eine große NATO-Übung in der Ostsee, an der zahlreiche alliierte Schiffe in der gesamten Region beteiligt sind. Die aktuelle Übung, die im Juni stattfindet, würde als Baltic Operations 22 oder BALTOPS 22 bekannt sein. Die Norweger schlugen vor, dies sei die ideale Deckung, um die Minen zu platzieren.

Die Amerikaner überzeugten ihrerseits die Planer der Sechsten Flotte, dem Programm eine Forschungs- und Entwicklungsübung hinzuzufügen. An der Übung, die von der Marine veröffentlicht wurde, war die Sechste Flotte in Zusammenarbeit mit den „Forschungs- und Kriegsführungszentren“ der Marine beteiligt. Die Veranstaltung auf See würde vor der Küste der Insel Bornholm stattfinden und NATO-Taucherteams einbeziehen, die Minen pflanzen, wobei konkurrierende Teams die neueste Unterwassertechnologie einsetzen, um sie zu finden und zu zerstören.

“Es war sowohl eine nützliche Übung als auch eine geniale Tarnung. Die Jungs aus Panama City würden ihr Ding machen und der C4-Sprengstoff würde bis zum Ende von BALTOPS22 an Ort und Stelle sein, versehen mit einem 48-Stunden-Timer. Bei der ersten Explosion wären alle Amerikaner und Norweger schon lange weg. “Die Uhr tickte und wir näherten uns der Erfüllung unserer Mission“, berichtet Hersh´s Quelle.

Doch dann seien in Washington Bedenken aufgetaucht. Die Bomben sollten zwar wie geplant noch während BALTOPS platziert werden, doch das Weiße Haus befürchtete, daß ein zweitägiges Zeitfenster für ihre Detonation zu kurz vor dem Ende der Übung liegen würde, und das die Beteiligung Amerikas zu offensichtlich sein würde.

“Können sich die Jungs eine Möglichkeit einfallen lassen, die Pipelines später auf Befehl zu sprengen?“, fragte das Weiße Haus.

Einige Mitglieder des Planungsteams waren verärgert und frustriert über die scheinbare Unentschlossenheit des Präsidenten. Die Taucher von Panama City hatten wiederholt geübt, das C4 auf Pipelines zu platzieren, wie sie es während BALTOPS tun würden, aber jetzt musste das Team in Norwegen einen Weg finden, Biden das zu geben, was er wollte. Mit einer willkürlichen Änderung in letzter Minute beauftragt zu werden, war etwas, an das die CIA gewöhnt war. Aber es erneuerte auch die Bedenken, die einige über die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der gesamten Operation teilten, die sie an ihr Dilemma in den Tagen des Vietnamkriegs erinnerte, als Präsident Johnson, konfrontiert mit einer wachsenden Anti-Vietnamkriegsstimmung, der CIA befahl, gegen ihre Charta zu verstoßen – die ihr ausdrücklich untersagte, innerhalb Amerikas zu operieren, was im Watergate-Skandal gipfelte.

Das Team in Norwegen kämpfte aktuell mit dem Problem, den C4-Sprengstoff ohne Zeitvorgabe nur auf Bidens Befehl fernzuzünden. Wann würde er grünes Licht geben: In ein paar Wochen, in einigen Monaten, einem halben Jahr oder lnoch später?

“Das an den Pipelines angebrachte C4 würde durch eine kurzfristig von einem Flugzeug abgeworfene Sonarboje ausgelöst, aber das Verfahren beinhaltete die fortschrittlichste Signalverarbeitungstechnologie. Einmal installiert, könnten die an einer der vier Pipelines angebrachten verzögerten Zeitgeber versehentlich durch die komplexe Mischung aus Meereshintergrundgeräuschen in der stark befahrenen Ostsee ausgelöst werden – von nahen und fernen Schiffen, Unterwasserbohrungen, seismischen Ereignissen, Wellen und sogar Meeresbewohnern. Um dies zu vermeiden, würde die Sonarboje, sobald sie an Ort und Stelle ist, eine Folge von einzigartigen niederfrequenten Tonklängen aussenden – ähnlich denen, die von einer Flöte oder einem Klavier ausgestrahlt werden – die vom Zeitmessgerät erkannt und nach einer voreingestellten Stunde erkannt würden der Verzögerung, den Sprengstoff auslösen. („Sie wollen ein Signal, das robust genug ist, damit kein anderes Signal versehentlich einen Impuls senden könnte, der den Sprengstoff zur Detonation brachte“, sagte mir Dr. Theodore Postol, emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und nationale Sicherheitspolitik am MIT. Postol, der als wissenschaftlicher Berater des Chief of Naval Operations des Pentagon gedient hat, sagte, das Problem, mit dem die Gruppe in Norwegen aufgrund von Bidens Verzögerung konfrontiert sei, sei zufällig: „Je länger der Sprengstoff im Wasser ist, desto größer ist das Risiko eines Zufalls Signal, das die Bomben abfeuern würde.“)

Am 26. September 2022 unternahm ein P8-Überwachungsflugzeug der norwegischen Marine einen scheinbar routinemäßigen Flug und ließ eine Sonarboje fallen. Das Signal breitete sich unter Wasser aus, zunächst auf Nord Stream 2 und dann weiter auf Nord Stream 1. Wenige Stunden später wurden die Hochleistungssprengstoffe C4 gezündet und drei der vier Pipelines außer Betrieb gesetzt. Innerhalb weniger Minuten konnte man sehen, wie sich Methangaspfützen, die in den verschlossenen Pipelines verblieben waren, auf der Wasseroberfläche ausbreiteten, und die Welt erfuhr, daß etwas Unumkehrbares geschehen war.

Das Rätselraten um den Terroranschlag auf die Energieversorgung Europas scheint durch “Sy” Hersh ein Ende gefunden zu haben. Für seine Version spricht unter anderem die aussagekräftige Pressekonferenz des amerikanischen Außenministers Antony Blinken im vergangenen September. Gefragt nach den Folgen der sich verschärfenden Energiekrise in Westeuropa bezeichnete Blinken den Moment als potenziell günstig: „Es ist eine enorme Gelegenheit, die Abhängigkeit von russischer Energie ein für alle Mal zu beseitigen und damit Wladimir Putin die Bewaffnung der Energie als Mittel zur Förderung seiner imperialen Pläne zu nehmen. Das ist sehr bedeutsam und bietet eine enorme strategische Chance für die kommenden Jahre, aber in der Zwischenzeit sind wir entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die Folgen all dessen nicht von den Bürgern in unseren Ländern oder, was das betrifft, getragen werden.”

Auch die US-Diplomatin Victoria Nuland zeigte kürzlich ihre Zufriedenheit über den Niedergang der Pipelines. Als sie Ende Januar bei einer Anhörung des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats aussagte, erklärte sie gegenüber Senator Ted Cruz: „Wie Sie bin ich, und ich denke, die Regierung ist sehr zufrieden zu wissen, dass Nord Stream 2 jetzt, wie Sie gerne sagen, ein ein Stück Metall auf dem Meeresgrund ist.“ (MS)

 

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