Der linke Altparteien-Einheitsblock hält zusammen (Symbolbild:Imago/Steinach)

Partei & Zeichen: Wo sind die Ukrainefähnchen?

Der Ukrainekrieg ist in vielerlei Hinsicht ein Augenöffner. Weniger über die Ukraine und Russland, sondern unter Berücksichtigung des Schicksals von Ukrainern und Russen über Deutschland und den “Wertewesten”.

von Max Erdinger

Na, wo sind sie denn hin, die ganzen Ukrainefähnchen auf den Profilseiten der Nutzer in den sozialen Netzwerken? Was ist los mit dem Ukraine-Hype? Wird es nicht wieder einmal Zeit für eine Massenversammlung rund ums Brandenburger Tor? War doch wunderbar, dieses blau-gelbe Fahnenmeer und dieses Gefühl, zur “Masse der Guten” zu gehören, die immer rechthat? Die Ukraine ist jetzt nicht mehr “euer Ding”, oder wie? Hat sich allmählich herumgesprochen, wer diesen Krieg lange geplant hat, ehe er dann ausgebrochen ist? Seid ihr euch nicht mehr sicher, daß ihr auf der Seite der Guten steht, ihr billigen Meinerleins & Finderleins? Ist euch inzwischen aufgefallen, wie ein “unprovozierter Angriffskrieg” bezeichnet wird, wenn die Phrase nicht auf die Russen gemünzt wird? Falls nicht: Wenn die Nato oder die USA einen “unprovozierten Angriffskrieg” starten, dann nennt sich das entweder “militärischer Präventivschlag” oder “humanitäter Einsatz”. Und immer wird etwas verteidigt gegen eine Bedrohung. Bedroht sind gern die Menschenrechte, die Demokratie und die “westlichen Werte”. Wenn die erfolgreich verteidigt worden sind, dann sieht es da, wo sie verteidigt wurden, so aus wie in Syrien, in Libyen, in Afghanistan, im Irak oder in Serbien nach dem Krieg. Ein schöner Erfolg für die Menschenrechte, die Demokratie und die “westlichen Werte. Jedes einzelne Mal.

Das erste aller Menschenrechte ist wohl das Recht auf Leben.  Der Mormone und Republikaner Mitt Romney (76), seit 2018 Senator für Utah, weiß genau, wer das meiste Recht auf Leben hat: US-Amerikaner. Und damit ist er bei weitem nicht der Einzige. In einem Interview rechnete er kürzlich vor, um wieviel kostengünstiger es für den amerikanischen Steuerzahler ist, das korrupte ukrainische “Westwert”-Regime mit Waffen und Geld zu unterstützen, die Ukrainer also einen US-Proxykrieg gegen die Russen kämpfen zu lassen, anstatt selbst gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Inzwischen gibt es 400.000 ukrainische und etwa 100.000 russische Gefallene. Weshalb es für die USA einen Grund geben sollte, überhaupt gegen Russland in den Krieg zu ziehen, schien Romney  gar nicht mehr zu interessieren. Dazu gab es keine Aussage. Menschenrechte, Demokratie und “westliche Werte” wahrscheinlich. Wenn nicht, dann ist eben die “Nationale Sicherheit der USA” durch Russland bedroht – und zwar in der Ukraine. Wann ist die “Nationale Sicherheit der USA” nach US-Definition bedroht? Immer dann, wenn sich eine Region oder ein Staat entwickelt, dessen Entwicklung das Potential hat, den Status der USA als einziger Supermacht zu gefährden. Was eine Gefährdung der “Nationalen Sicherheit der USA” ist, definieren US-Strategen ganz alleine.  Schon “Sicherheit” ist gelogen, weil es nicht um Sicherheit geht, sondern um Interessen. Und um die nationalen Interessen der USA geht es ebenfalls nicht, weil die Interessen einer sich unangreifbar wähnenden Erbadel-“Elite” nicht identisch sind mit “die USA”. Bereits Romneys Vater war US-Senator aus Massachussetts.

Geschenkt

Aber ich will gar nicht weiter auf die notorischen Bellizisten in den USA und die prinzipiellen Lebenslügen des “American Way Of Life” mit seinem “Pursuit Of Happiness” eingehen – Smile-Cheese-Klick.  Auf die bundesdeutschen “Qualitätsmedien” und die Bundesregierung ebenfalls nicht, sondern eher auf die Massen, die sich das ganze dahergelogene Geschwätz bieten lassen. Das ist nämlich eine Erscheinung, die sehr grundsätzliche Fragen aufwirft zum Wert einer parlamentarischen Parteiendemokratie.

Es ist offensichtlich: Wenn eine parlamentarische Parteiendemokratie derartig degenerieren kann, daß Millionen und Abermillionen in die Matrix geschickt werden, wo sie dann den allerletzten Bullshit glauben wie den vom Nutzen eines unerprobten mRNA-Impfstoffs (“Der Impfstoff ist sicher”), den von der Friedfertigkeit amerikanischer Eliten, dem “Verteidigungscharakter” der NATO, dem “Demokratiegehalt” eines europäischen “Digital Services Act”, der generellen Harmlosigkeit von “Schutzsuchenden”, dem menschengemachten Klimawandel und den bösen Finsterrussen, den Ukrainern als Verteidigern von Freiheit, Demokratie & “westlichen Werten” für ganz Europa –  das alles und noch viel mehr nur, um sich dann an ihrem eigenen, vermeintlichen “Gutsein” und ihrer eingebildeten Bescheidwisserei zu besaufen (“haben sie im Fernsehen gesagt, kam in den Nachrichten” etc.pp) , dann ist die parlamentarische Parteiendemokratie zum absoluten Rohrkrepierer geworden. Dann taumelt eine Mehrheit haltlos und ohne jeden Realitätsbezug durch Raum und Zeit. Dann hat sie die tatsächliche Macht genau da, wo sie sich dem demokratischen Gedanken zufolge niemals aufhalten sollte: In der totalen Irrelevanz. Der Souverän wurde von der Wirklichkeit isoliert. Von wegen “Deine Meinung zählt”. Die zählt dann nämlich überhaupt nur noch, weil sie irrelevant geworden ist.

Push-Nachricht gerade erhalten. Wegen Aiwanger: “Nancy Faeser (SPD) wirft Markus Söder (CSU) ‘Machtkalkül’ vor”. – Ach? Machtkalkül? Dabei muß es sich wohl um einen machtkalkulatorischen “Einzelfall” handeln, Frau Faeser, oder nicht? In der SPD hat sich schließlich noch nie im Leben jemand mit einem “Machtkalkül” beschäftigt, so daß man ihm das vorwerfen könnte. Die selbstgerechte Bigotterie, die unserem Lande  inzwischen aus allen Poren tropft, ist absolut unaushaltbar geworden. Das geht nicht und es wird höchste Zeit, mit diesem bigotten Pack und seinen elenden Doppelstandards aufzuräumen.

Wie geht es weiter?

Einstweilen hat die Bundesrepublik Deutschland aber diese “parlamentarische Parteiendemokratie” noch, die von Ideologen und Präferenzutilitaristen gekapert werden konnte und immer mehr einer linksautoritären Diktatur gleicht, in der von Staatsterror gegen den eigentlichen Souverän zu reden ist. Parteien und Redaktionen waren die Einfallstore für das totalitäre Gesindel. Gegenwärtig gibt es noch genau eine Partei, die man in dieser “parlamentarischen Parteiendemokratie” in ihrer speziellen Ausprägung als “Medien- & Massendemokratie” überhaupt wählen kann. Das ist die AfD. Wählen kann man sie wegen ihres Parteiprogramms und einer im Vergleich zu anderen Parteien relativ großen  Zahl von Funktionären mit Rückgrat und Charakter. Aber “Parteien” als demokratische Größe per se sind dennoch ein Auslaufmodell. Der Parteienstaat entpuppt sich nicht nur in Deutschland als “wertewestlicher” Totalversager. Das ist aber im Grunde keine neue Erkenntnis.

Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim hat bereits vor Jahrzehnten gut belegt, daß und wie sich Parteien den Staat zur Beute machen und eine ganze Reihe von Büchern dazu veröffentlicht. Er hat an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer gelehrt. Hans Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts von 2002 bis 2010, warnt in seinen Büchern vor der Erosion des Rechtsstaates und spricht davon, daß die Freiheit in Gefahr sei. Der vormalige Chef des Verfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, wurde jüngst offensichtlich verfassungswidrig von der “Haldenwangbehörde” abgehört. Als “Haldenwangbehörde” muß man den vormaligen Verfassungsschutz unter Maaßens Amtsnachfolger Haldenwang nämlich bezeichnen, wenn man bei der Wahrheit bleiben will. Das ist sehr offensichtlich kein Verfassungsschutz mehr. Die “Haldenwangbehörde” erinnert inzwischen mehr an das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) in der DDR.

Das alles kommt also nicht überraschend. Aber zur Zeit wird die Gefahr extrem gut sichtbar, die für den Bürger von einem Staat ausgeht, den sich Parteien zur Beute gemacht haben, die selbst mehrheitlich überhaupt keinen Wert mehr haben für das Gemeinwohl, sondern fast ausschließlich noch als Vehikel für Karrieristen dienen, die sich aufgrund äußert zweifelhafter Charaktereigenschaften über parteiinterne Seilschaften durch die Parteisuppe nach oben durchboxen konnten, um letztlich nur noch zum eigenen Wohl & Frommen wie schillernde Fettaugen auf der Suppe zu schwimmen. Was in aller Welt hat der deutsche Souverän noch von einer Parteivorsitzenden namens Ricarda Lang? Was von einem Christian Lindner? Was von einem Olaf Scholz? Was von einem Markus Söder oder einem Friedrich Merz? Was von Bundestagsabgeordneten, die nicht einmal mehr wissen, wer Bismarck gewesen ist, Schwierigkeiten bei der Prozentrechnung haben, von Geographie, der eigenen und fremden Kulturen keine Ahnung haben und tagein-tagaus nur noch mit der bodenlosen Impertinenz in der Ignoranz ihrer ideologischen Verpeiltheiten nerven? – Genau gar nichts. Null. Niente. Nada.

Das wäre das, was meinereiner für überfällig hält: Daß sich die AfD überlegt, wie die Demokratie aus dem Parteienkorsett befreit werden könnte, was Medien damit zu tun haben, was der Demokrat wissen müsste um überhaupt als solcher zu funktionieren – kurz: Was außerhalb der sogenannten Parteiendemokratie als demokratische Alternative für Deutschland denkbar ist; welche Form von Demokratie auf den Parteienstaat folgen könnte; wie die Demokratie gegen Totalitäre, Demokratiefeinde und machtbesessene Ideologen wasserdicht gemacht werden könnte – und generell: Wie die FDGO gesichert werden kann. Meiner Ansicht nach ist es zu wenig, den Parteienstaat als unabänderlich hinzunehmen und sich darauf zu konzentrieren, wie man trotz der erklärten Gegnerschaft der Hofberichterstatter des Machtkartells als Konkurrent zu den Altparteien besteht. Das gelingt zwar zur Zeit ganz gut, weil es die Altparteien selbst sind, die es der AfD deutlich erleichtern, Stimmenzuwächse zu verzeichnen. Aber am grundsätzlichen Degenerationsproblem der Demokratie via Parteienstaat ändert das nichts. Der Parteienstaat als solcher ist es, der sich allerweil endgültig als das Grundübel entpuppt. Zu diesem Parteienstaat braucht es eine gute Alternative.

 

 

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