Alice Weidel, Friedrich Merz, Björn Höcke und Markus Söder haben etwas gemeinsam: Sie alle sind rechts. So heißt es zumindest in einem mittlerweile gelöschten Beitrag auf der Plattform Instagram. Verfasser: Das Videoformat Die da oben!, finanziert von „funk“, sprich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Sinn des Beitrags und des zugehörigen Videos ist recht deutlich: Es sollen Ideologische Verbindungslinien zwischen den „Guten“ und den „Bösen“ aufgezeigt und die vermuteten Kameraden im Geiste in Sippenhaft genommen werden. Doch so einfach ist das gar nicht. Deswegen hat das patriotische Faktenformt Wir klären das! sich in einer Replik der Frage danach gewidmet, was „rechts“ eigentlich bedeutet.
Ein Beitrag von EinProzent
„Rechts“ als Brandmarkung
Das Problem: In der bundesrepublikanischen Gesellschaft kann fast alles als Vorstufe zum „Vierten Reich“ interpretiert werden. Fordert ein CDU-Politiker in der Opposition konsequente Abschiebungen oder Auffanglager für sogenannte Flüchtlinge, so braucht man nicht lange darauf warten, dass er als „Nazi“ gebrandmarkt wird. Doch allein über diese moralischen Koordinaten lassen sich politische Ideologien nicht beschreiben. Im Video von Wir klären das! nimmt sich Moderatorin Marie-Thérèse Kaiser genau dieser Problematik an.
Maßgeblich bezieht sie sich hier auf den konservativen Publizist Karlheinz Weißmann, der in einem Vortrag aus dem Jahr 2019 die Rechte von der Linken und der Mitte scharf abgrenzt. Demnach wohne jeder dieser drei Fraktionen ein Zentralwert inne, auf den sie sich maßgeblich beziehe. Für die Linke sei dieser Zentralwert die „Gleichheit aller Menschen“, während die Mitte sich mit der „Freiheit des Individuums“ beschäftige – diese Mitte seien demnach klassische Liberale und demnach von der Rechten abzugrenzen, die einen anderen Zentralwert vertreten würden. Nach Weißmann ist dieser Wert die „Ordnung eines Ganzen“.
Das Ganze, das ist bei den verschiedenen rechten Strömungen stets unterschiedlich interpretiert worden; mal als der Staat, mal als Volk, mal als Rasse. Im Gegensatz zu den Liberalen sieht man in der Rechten das Ganze – die Gemeinschaft – nicht als zufällig zusammengewürfelte Anhäufung von Individuen, sondern als eine natürliche, schützenswerte Einheit, die mehr ist als die Summe ihrer Individuen. Über diese Definition von Weißmann lässt sich auch alles andere ableiten.
Verwirrung der Begriffe
Wenn CDU-Politiker also „rechts“ blinken, dann handelt es sich in den meisten Fällen doch um klassische liberale Mimikry, wenn auch, wie im Fall der Corona-Pandemie, mit einem merkwürdigen Gemeinschaftsverhältnis. Man sollte also nicht den Fehler begehen und Unionspolitiker – denken wir an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder – als „Nationalsozialisten“ (Stichtwort: „Södolf“) titulieren, weil auch sie eine Corona-Impfung zur Gesunderhaltung des Volkes empfahlen. Doch Politikern der CDU/CSU liegt herzlich wenig am deutschen Volk und mit Kollektivismus hat eine Impfpflicht wie in diesem Fall recht wenig zu tun, wie man am immer noch nicht klar abzuschätzenden Schaden durch eben jene Impfungen an der „Volksgesundheit“ ablesen kann.
Man kann diese Begriffsverwirrungen aber auch an ganz anderen Beispielen ablesen: Friedrich Merz ist ja nicht deswegen ein „Nazi“, weil er die Überlastung des Gesundheitssystems mit der „Flüchtlings“-Krise in Zusammenhang bringt – nach Weißmanns Theorie ist er es aus genau diesem Grund sogar nicht. Die Argumentation mit den Kosten für den deutschen Steuerzahler ist genauso wie die Warnung vor dem wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands durch die „Flüchtlinge“ kein sonderlich rechter Standpunkt. Es ist ein Standpunkt, den man als Rechter zwar vertreten darf, aber wenn man Weißmann Glauben schenken will, dann muss man als Rechter auch gegen die Massenmigration sein, selbst wenn sie tatsächlich förderlich für die Wirtschaft wäre. Denn den Rechten geht es um die Bewahrung des Volkes, während es ein typisch liberaler Ansatz ist, alles nur nach dem Nutzen für Wirtschaft, Wertschöpfung und finanzielles Wachstum abzuklopfen.
Fairerweise muss man natürlich sagen, dass diese Art und Weise, die Begriffe durcheinander zu bringen, sich in allen Schichten und politischen Lagern finden lässt. Unvergessen ist eine Internet-Diskussion zwischen dem eher linksliberalen Youtuber Tilo Jung (bekannt aus dem Format Jung & Naiv) und dem rechtsliberalen Ex-Politiker Marcus Pretzell: Beide sind sich als genuine Liberale vollkommen einig darüber, dass die autoritären Regimes von Mao, Stalin sowie die DDR abzulehnen sind – allerdings sieht Jung die genannten Diktaturen eben nicht als „links“, da sie ja autoritär gewesen sein. Seiner Logik nach seien alle autoritären Staaten auch gleichzeitig rechts. Nach der Definition von Weißmann kann man solche Hütchenspielereien gleich als Unfug identifizieren; Linke und Linksliberale versuchen sich an solchen und ähnlichen Tricks, um alles „Linke“ von Verbrechen freizusprechen und diese Verbrechen dafür den „Rechten“ zuzuschlagen. So kommt der Feind immer von rechts.
Habt Mut, rechts zu sein!
Für uns ist Weißmann deswegen wichtig, weil sich mithilfe seiner Theorien eine Standortbestimmung vornehmen lässt. Er hilft auch, Hochstapler und Glücksritter zu identifizieren, die auf dem Ticket einer rechten Partei wie der AfD in Parlamenten Geld verdienen wollen. Dennoch muss man auch hier unterscheiden: Eine Partei wie die AfD vertritt nicht die „reine Lehre“ und auch Weißmanns Ansatz ist nicht die „reine Lehre“. Mischformen kommen vor. Auch „liberale“ Argumente sind erlaubt, wenn sie die Lebensrealität der Bürger, die sich nach einem Wandel sehnen, abbilden. Aber ein bisschen mehr Ehrlichkeit in die Politik würde schon reichen. Und vielleicht etwas mehr Mut, rechts zu sein. Denn daran ist nichts falsch.