Überflutungsgebiete (hier zwischen Göttingen und Lippetal) (Foto:Imago)

Ist das aktuelle Hochwasser ebenso “politikgemacht” wie die Ahrtal-Flut?

Während Bundeskanzler Olaf Scholz mit der üblichen Bräsigkeit, Abwesenheit und Gleichgültigkeit in den niedersächsischen Hochwassergebieten auf Katastrophentournee ging und dort wieder einmal stumpfe, geistlose Plattitüden absonderte, die eins zu eins aus seiner peinlichen Neujahrsansprache hätten stammen können (so sagte er den Helfern etwa, es sei “wichtig, dass wir im Land zusammenhalten”), wächst der Unmut in der Bevölkerung; vielerorts wird befürchtet, dass die Opfer von der Politik ebenso im Stich gelassen werden, wie dies den Menschen im Ahrtal 2021 passiert war, die teils bis heute noch auf ihre Hilfsgelder warten.

Dies ist nicht die einzige Parallele zur damaligen Jahrhundertflut – wenngleich bei der gegenwärtigen Krise zum Glück (noch) keine Menschenleben zu beklagen sind: So wie inzwischen fraglos feststeht, dass das langjährige Versagen von örtlichen Behörden und Landesregierung die Ahrtal-Flut in dieser Tragweite erst möglich gemacht hat, so mehren sich nun auch Hinweise darauf, dass auch die gegenwärtigen Überschwemmungen in Niedersachsen maßgebliche Folge politischen Versagens gewesen sein könnten.

Okertalsperre bei steigenden Pegeln zusätzlich geöffnet?

Denn: Die Harzer Talsperren erreichen meist erst im Dezember ihren Tiefstand und werden anschließend, über die Wintermonate, befüllt. Sie hätten unter normalen Umständen also als willkommene Auffangbecken fungiert, die Großteile der infolge wochenlangen Niederschlags anflutenden Wassermassen hätten aufnehmen können. Dass dies nicht geschah, hat einen simplen Grund, worauf der Wirtschaftswissenschaftler und Blogger Dr. Stefan Homburg hinwies: 2023 waren die Talsperren schon vor der Flut randvoll gewesen. Das ist aber nicht alles: Just in dem Moment, als die Flusspegel stiegen, öffnete die Okertalsperre ihre Notauslässe und flutete Niedersachsen. “Warum?”, fragt sich (nicht nur) Prof. Homburg.

Denn ironischerweise war die Okertalsperre einst unter anderem auch zum Schutz vor Hochwasser errichtet worden. “Es ist eine böse Ironie, dass sie ausgerechnet dann geöffnet wurde, als Teile Niedersachsens bereits unter Wasser standen… Ich sehe hier ein ähnliches Versagen wie 2021 bei der Katastrophe im Ahrtal. Auch damals lagen Regenprognosen vor, und man hätte die Anwohner warnen und evakuieren können. Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) blieben jedoch untätig, und 135 Menschen starben”, so Homburg.

U-Ausschuss wird unumgänglich sein

Bürger und Kommunalpolitiker der betroffenen Regionen fordern einen Untersuchungsausschuss, der dieses politische Versagen wird aufklären müssen. Offenbar haben sich die Landesregierung und Stephan Weil und ihre Behörden ja so sehr in ihren Hitze- und Dürrewahn mit der verbreiteten Lüge von 2023 als heißestem und trockenstem Jahr hineingesteigert, dass sie den letzten Wassertropfen retten wollten? Dies mutmaßt Homburg. Es könnte sich aber auch um “menschliches Versagen” handeln, das in Deutschland inzwischen ja zum politischen Standard gehört.

Apropos: Übrigens versicherte Olaf Scholz bei seinem Besuch in den Überschwemmungsgebieten,  der Bund stehe den betroffenen Ländern und Kommunen bei der Bewältigung der Schäden “mit seinen Möglichkeiten” zur Seite. Dort muss man sich also auf das Schlimmste gefasst machen – und sich selbst helfen. Die Opfer leben schließlich nicht in der Ukraine, in Pakistan, in Nigeria oder Indien – sondern in Deutschland; deshalb brauchen sie von der deutschen Bundesregierung nichts zu erwarten. (TPL)

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