Wenn sich ausgerechnet die Vorsitzende eines aus meiner Sicht vollkommen unnötigen Gremiums namens Ethikrat mit der Warnung hervortut, dass einsame Menschen in Deutschland besonders anfällig seien für Manipulation, verharre ich zwischen Lachen, Weinen und Verärgerung. Denn es ist dessen Anführerin Alena Buyx gewesen, die in der Pandemie mit einer massiven Kampagne gegen viele Bürger in diesem Land gewettert hat, die sich in ihrer Selbstbestimmung den Impfungen entzogen oder Kritik an den völlig überzogenen Maßnahmen der Politik übten.
Von Dennis Riehle
Das Ausmaß der Forderungen nach Segregation war bei ihr überdurchschnittlich hoch. Mit einem eklatant spaltenden, herabwürdigenden und verachtenden Anwurf an diejenigen, die sich der staatlichen Instrumentalisierung verweigerten und auf ihre Grundrechte beharrten, machte sie Furore – und bemüht sich in der Rückschau nun um eine klassische Täter-Opfer-Umkehr, indem sie zumindest die Hälfte der Verantwortung an die Medien zuschiebt. Dabei war sie vorne mit dabei, als es darum ging, an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigungsgrundlagen und Argumentationsmuster zu erfinden, um die Disziplinierung und Gängelung der Bevölkerung voranzutreiben – und deren Mitwirkungsbereitschaft durch etikettierten Druck zu erhöhen. Ihre Einlassungen wirkten stets wie eine weltanschauliche Anbiederung und ein grenzenloses Gemeinmachen mit der gegenwärtigen und vorherigen Gurkentruppe in der Berliner Waschmaschine.
Philosophischen Charakter haben die Aussagen der Professorin schon allein deshalb nicht, weil sie dem Einzelnen nicht die Gelegenheit geben, eigenständig über wesentliche Fragestellungen zu sinnieren und zu einem unabhängigen Urteil zu gelangen. Stattdessen werden ihm die vorgekauten Antworten einer nicht befugten, in ihrem Sinn und Zweck fraglichen Instanz mitsamt des Prädikats der Zulässigkeit und der Absolution für ehrwürdige Normativität in den Mund gelegt. Dass man mit diesem Gebaren erfolgreich wahr, liegt wahrscheinlich an der bitteren Einsicht, dass es in diesem Land noch immer eine erhebliche Zahl an Anhängern einer duckmäuserischen Lebensweise gibt, die täglich darauf warten, die nächsten Instruktionen von oben zu erhalten und kopfnickend alle Weissagungen entgegenzunehmen, welche das Vorfeld des Parteienkartells in dessen wohlgesonnener Genehmigung in die Menge streut. Doch in Zeiten eines immer durchschaubarer werdenden Versuchs der Volksverdummung scheint es dann doch nicht mehr ganz so leicht, sich als Gesinnungswächter aufzuspielen. Denn das Gedächtnis der Deutschen funktioniert noch gut. Und ein nicht unerheblicher Teil von ihnen vergisst nicht, wie entwürdigend die vom Souverän nicht autorisierte, sondern selbsternannte Vertreterin der Tugend gegenüber denen auftrat, die sich in einer Demokratie auf das Legitimste beriefen, was dem Individuum gegenüber dem übermächtigen Apparat an Dilettanten und seinen Gehorsam leistenden Mitläufern an Instrumenten gegeben ist.
Der Verweis auf die Persönlichkeitsrechte als Wesenskern eines freiheitlichen Miteinanders müsste normalerweise diejenigen beeindrucken, die sich als Idealisten unseres liberalen Gemeinwesens ausgeben – aber in Wahrheit doch nur Handlanger des Elfenbeinturm sind, der diesen Ausschuss an Gutmenschen okkupiert und für seine Ziele ungeniert ausnutzt. Buyx hinterlässt bei all ihren Auftritten in der Öffentlichkeit stets einen faden Beigeschmack, weil sie sich nicht nur gekonnt in der moralinsauren Inszenierung gibt, sondern auch eine Selbstdarstellung zu praktizieren weiß, die der von Luisa Neubauer in nichts nachsteht. Der erhobene Zeigefinger macht sie zu einer besserwissenden Gallionsfigur einer Armada an Wertespezialisten, welche die Formel für ein geglücktes und erfolgreiches, aber vor allem angepasstes und demütiges Dasein gepachtet zu haben verkündet. In diesem Eifer des Predigens ist es auch kein Wunder, dass sich die in Talkshows und Gastbeiträgen als schulmeisternde Expertin gebende Oberlehrerin jetzt um neue Aufmerksamkeit und Gehör bei den Marionetten bemüht. Nach ihrem Ansinnen, mit einem halbherzigen Eingestehen von Fehlern während der Pandemie an ihrer eigenen Reputation zu arbeiten und durch die Flucht nach vorne vielleicht wieder einige Sympathien erlangen zu können, hat sie jetzt also ein frisches Thema entdeckt, was nur allzu gut in die Pläne der Ampel passt.
Es sollen nun die Alleinstehenden unter uns sein, die sich nach ihrer Auffassung als herausstechend empfänglich für Verschwörungstheorien, Fake News oder Märchenerzählungen zeigen – und die man, genauso wie die Macht der Alteingesessenen und unser Plebiszit im Allgemeinen, entsprechend vor der Einflussnahme durch böse Geister schützen müsse. Da ist es also ein weiterer Hauch an Bevormundung, welcher durch die Lande weht, wenn sich Sprachrohre der Regierung dafür einsetzen, die Anstrengungen um betreutes Denken in unserer Gesellschaft zu verstärken und zu begründen. Die vermeintliche Sorge um eine Desorientierung der im Strom schwimmenden, aber immer öfter auch in Skepsis geratenen Schafe ist auch deshalb so groß, weil selbst die Systempresse durch alle Schichten hindurch beständig an Zuspruch, Vertrauen und Ansehen verliert – und sich immer mehr Menschen in alternativen Informationsquellen die Grundlagen für eine autonome Meinungsbildung aneignen. Letztlich sind es jene, die kaum ein soziales Umfeld haben und in ihrer Abgeschiedenheit möglicherweise auch zu depressiven Phasen neigen, welche sich in mancher Frustration und Verbitterung über ihre eigene Verfassung besonders offenherzig zeigen, nicht völlig ohne Grund Schuld bei der Obrigkeit zu suchen und in die Kritik an der Tatenlosigkeit der rot-grün-gelben Fortschrittskoalition einzustimmen.
Darüber hinaus ist diese Gruppe eine wichtige Wählerklientel, bei der man sich ein Abdriften in Richtung von Protest, Widerstand und Trotz ebenso wenig leisten kann wie ein überzeugtes Befürworten der Programmatik derjenigen Parteien außerhalb des Establishments, die man im Moment ohnehin mit Repression, Drangsal und Tyrannei mundtot machen will. Es ist also eine überaus brisante Gemengelage, welche den jetzigen Vorstoß der Sittenpäpstin erklären lässt. Olaf Scholz und sein Kabinett sind in akute Seenot geraten, haben den Eisberg bereits mehrfach gerammt, das eindringende Wasser aber noch nicht bemerkt. Stattdessen heuert man immer neue Fürsprecher an, die sich in aller Hilflosigkeit der umstehenden Eimer bedienen – mit dem Abschöpfen aber verständlicherweise nicht hinterherkommen. Denn die Löcher im Heck und Bug sind mittlerweile derart gigantisch, dass lediglich das Festklammern am Fahnenmast als Option übrig bleibt. Im Wissen um den politischen Untergang, feuert man Leuchtraketen als SOS ab – und die sich mit Hofknicks zur Verfügung stellenden Schlauchboote im Umkreis ringen nach Kräften darum, den Sturm der Entrüstung einer wachsenden Mehrheit im Land durch die Suggestion zu stillen, dass es isolierte Menschen seien, die sich einer gefährlichen Indoktrination hingäben. Doch das Einzige, was am Neuausrichten des Kompasses und am Wiederbeleben des eigenen Menschenverstandes riskant sein könnte, ist der Schreck nach dem Aufwachen – und das Eingeständnis, den Schlafwagen durch eine Vollbremsung zum Stehen bringen zu müssen.