Benjamin Netanyahu empfängt die Erleuchtung - Foto: Imago

Israel: Benjamin Netanyahu – man fragt sich …

Vor drei Wochen fand der bestialische Terrorangriff auf israelische Zivilisten statt. Etwa 220 Geiseln sind in den Gazastreifen verschleppt worden. Inzwischen sind gottlob ein paar wieder freigelassen worden. Die Berichterstattung über ihre Schilderungen wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Es stehen überhaupt sehr viel mehr Fragen als Antworten im Raum.

von Max Erdinger

Es geht hier zunächst um zwei Nachrichtensender, die über ein- und dieselben Geiseln nach ihrer Freilassung berichten. Es handelt sich um die deutsche ARD-Tagesschau und die britische BBC. Der O-Ton der freigelassenen Geiseln ist in beiden Sendern völlig verschieden. Die Namen der freigelassenen Geiseln: Joschewet Liefschitz und Nurit Cooper.

Zunächst die “Tagesschau” aus Deutschland: “Ein Moment der Erleichterung nach 16 Tagen Geiselhaft. Noch in der Nacht wurden Joschewet Liefschitz und Nurit Cooper in ein Krankenhaus in Tel Aviv gebracht. Am Morgen erzählt Joschewet Liefschitz, man habe sie auf ein Motorrad gelegt, durch Tunnel geführt, mit Stöcken geschlagen und immer bewacht. ‘Ich bin durch die Hölle gegangen, eine die ich mir nicht hätte vorstellen können.'” Dann die Tochter von Frau Liefschitz: “Meine Mutter hofft, daß all die anderen Menschen, die mit ihr gefangen waren, auch zurückkommen. Es ist erst vorbei, wenn alle wieder da sind.”

Dieselbe Joschewet Liefschitz und ihre Tochter in der britischen BBC: “Meine Mutter sagt, daß sie sehr freundlich zu ihnen waren und daß sie sich um sie gekümmert haben, daß man ihnen Medizin gegeben habe (…) und sie wurden behandelt. Einer der Männer, die sie begleiteten, hatte eine schwere Verletzung von einem Motorradunfall während sie unterwegs waren und der Sanitäter kümmerte sich um seine Wunden. Er bekam Medikamente und Antibiotika, daß die Leute freundlich waren, daß sie den Ort sehr sauber hielten und sich sehr um sie kümmerten.”

Liefschitz 1
Joschewet Liefschitz in der “Tagesschau” – Screenshot Facebook
Liefschitz 2
Joschewet Liefschitz bei der BBC – Screenshot Facebook

Auffällig ist, daß es im Bericht der “Tagesschau” Frau Liefschitz selbst ist, die sagt, sie sei durch die Hölle gegangen. In der BBC kommt nur die Tochter zu Wort, während Frau Liefschitz still im Hintergrund sitzt. Man würde annehmen, daß Frau Liefschitz in der BBC ihrer Tochter ins Wort fallen würde, wenn stimmt, was sie selbst behauptet hatte, nämlich, daß sie durch die Hölle gegangen sei. Mögliche Erklärung: Die Sprecherin ist nicht die Tochter von Frau Liefschitz, obwohl sie vorher von “my mum” gesprochen hatte, oder aber Frau Liefschitz versteht kein Englisch. Auf alle Fälle passen die Meldungen von “Tagesschau” und BBC nicht nur nicht zusammen, sondern sie widersprechen sich diametral. Dritte Möglichkeit: Die gezeigten Personen haben mit der Sache überhaupt nichts zu tun und der ganze Auftritt ist eine Inszenierung. Sehr merkwürdig ist das auf jeden Fall.

Mysterien

In diesem Zusammenhang fällt mir eine Meldung von vor ein paar Tagen ein, bei der ich mir für ein paar Minuten überlegt hatte, ob ich etwas darauf geben soll. Ich habe dann nichts darauf gegeben und darauf verzichtet, ein Wort darüber zu verlieren. Die Liefschitz-Geschichte bei “Tagesschau” und BBC läßt die fragliche Meldung aber wieder in einem anderen Licht erscheinen. Nun gut: Bei “Redacted” war vor einigen Tagen ein kurzes Interview mit einer etwa 30-jährigen Frau zu sehen, die als Zeugin einer Geiselnahme vorgestellt wurde. Sie sei israelische Staatsbürgerin, hieß es, und die Geiselnahme habe sie in einem Kibbuz beobachtet. Clayton Morris von “Redacted” behauptete, genau dieses Interview sei kurz vorher auch in Israel veröffentlicht, aber sofort wieder aus dem Netz genommen worden. Mir war das zu dünn. Weder konnte ich wissen, ob stimmte, daß die Frau war, als was sie vorgestellt wurde, noch konnte ich verifizieren, daß dieses Video vorher in Israel aus dem Netz genommen worden war – und die ganze Story klang so unglaublich, daß sie meiner persönlichen Wahrscheinlichkeitsrechnung nach auch nichts als Propaganda gewesen sein könnte. Ich behielt sie einfach im Hinterkopf, ohne selbst etwas dazu zu sagen oder zu schreiben, und vertraute darauf, daß die “Info” entweder Relevanz bekommen könnte oder auch nicht. Im Folgenden also die fragwürdige Meldung zu diesem fragwürdigen Interview, das angeblich in Israel sofort nach seinem Erscheinen wieder verschwunden sein soll. Gesehen habe ich das Interview.

Die interviewte Frau behauptete, sie habe die Geiselnahme in ihrem Kibbuz beobachtet. Die IDF sei eingetroffen und habe versucht, die Geiselnahme zu verhindern. Das sei auch gelungen. Die IDF habe einfach alle erschossen, Geiseln und Geiselnehmer. Um die 120 Personen sollen das ingesamt gewesen sein, wenn ich mich recht erinnere. Sie selbst will das Ganze wohl aus einem Versteck heraus beobachtet haben. Jedenfalls klang das so dermaßen unglaublich, daß ich lieber nichts darauf gegeben habe. Und wie ich das hier schreibe, fällt mir ein anderes Interview ein, das genauso unglaublich ist, weswegen ich ebenfalls nichts darauf gegeben habe. Interviewt worden war eine Frau, die eine “Geiselnahme” miterlebt haben will. Sie berichtete, daß die Geiselnehmer schwer bewaffnet ins Haus gekommen seien, daß sie ihnen daraufhin erklärt habe, sie selbst sei Muslimin, daß die Geiselnehmer ausnehmend höflich zu ihr gewesen seien, sich im Haus umgesehen hätten, daß einer von ihnen sogar gefragt habe, ob er sich aus der Obstschale eine Banane nehmen dürfe, sowie, daß die schwer bewaffneten Geiselnehmer nach zwei Stunden Geplauder das Haus wieder verlassen – und leise die Tür hinter sich ins Schloß gezogen hätten. Ich hielt diese beiden Interviews für derartig abwegig, daß ich darauf verzichtete, sie zu archivieren.

Im Zusammenhang mit der merkwürdigen Berichterstattung zur freigelassenen Geisel Joschewet Liefschitz bei der “Tagesschau” und der britischen BBC, sind mir diese beiden unglaublichen Interviews mit den Zeuginnen von Geiselnahmen allerdings wieder eingefallen. Irgendetwas ist oberfaul. Aber was? – Ich weiß es nicht.

Mr. Sicherheit

Fest steht, daß Benjamin Netanyahu auf dem Ticket “Sicherheit” israelischer Premier geworden ist. Sicherheit für Israel war das, wofür der Name Netanyahu jahrelang gestanden hatte. Und fürwahr: Wenn irgendjemand unbedingt Sicherheit brauchte, dann sind es die Israelis gewesen. Sie sind es noch. Worüber ich gar nicht hinwegkomme, das ist, daß der unglaubliche Terroranschlag vom 7./8. Oktober ausgerechnet während der Amtszeit von Benjamin “Mr. Sicherheit” Netanyahu geschehen konnte und daß der Kollaps eines Sicherheitskonzepts, welches als bestes der ganzen Welt galt, ausgerechnet in seine Amtszeit fällt.

Damit das hier niemand mißversteht: Ich ziehe überhaupt keine Rückschlüsse und ich stelle auch keine unbewiesenen Behauptungen auf. Ich schildere nur, was ich vom fernen Deutschland aus beobachte.

Es ist immer von Hamas-Terroristen die Rede, die das Massaker vom 7./8. Oktober verbrochen haben sollen. Nach allen Informationen, die ich dazu habe, steht lediglich fest, daß es Terroristen gewesen sind, die aus dem Gazastreifen gekommen sind. Wahrscheinlich waren es Hamas-Terroristen. Nur: Die Hamas-Führung in Gestalt eines Funktionärs namens “Dr.Naim” bestritt bei “Fox-News”, daß es Hamas-Terroristen gewesen seien. Ich weiß auch nicht, ob dieser “Dr. Naim” gelogen hat. Was nun das Nichtwissen betrifft: Bei der Bombardierung des Krankenhauses im Gazastreifen war es zunächst die “Times Of Israel”, die von hunderten Toten und Verletzten berichtete, während es etwa zur selben Zeit ausgerechnet die “palestinechronicles” gewesen sind, die von zwei beschädigten oberen Stockwerken und fünf Verletzten unter dem medizinischen Personal berichteten. Im Augenblick gilt, daß das Krankenhaus von einer irrgelaufenen Rakete der Hamas getroffen worden sei. 23 Minuten nach dem Einschlag dort war es jedoch ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums gewesen, der als Erster eingeräumt hatte, es sei eine fehlgeleitete israelische Rakete gewesen. Auch diese Äußerung ist inzwischen wieder aus dem Netz verschwunden. Wurde überhaupt ein Krankenhaus getroffen? Ex-CIA-Mann Larry Johnson sagt ja. Er will sogar ein Video von der Detonation gesehen haben. Die sei nicht im Gebäude, sondern über dem Gebäude erfolgt und von einer Heftigkeit gewesen, die er bei Hamas-Raketen vorher noch nie beobachtet habe. Was ist dran an der Behauptung, über Gaza würden Phosphorbomben abgeworfen? Warum behauptete der israelische Präsident Isaac Herzog, bei getöteten Terroristen seien Bauanleitungen für Chemiewaffen gefunden worden, die von Al Qaeda stammten? Welcher Terrorist nimmt eine Bauanleitung für Chemiewaffen mit auf seinen “Einsatz”, ohne daß er die Chemikalien und die nötige Schutzausrüstung für den Bau ebenfalls mit sich führt? Hamas-Terroristen mit einer völlig sinnlosen Bauanleitung der Al Qaeda in der Terroristenjacke? Hätten Terroristen während ihres “Einsatzes” überhaupt Zeit, Chemiewaffen zu basteln? Bauanleitungen für Chemiewaffen? What the f*ck?

Warum beginnt die groß angekündigte Bodenoffensive der IDF im Gazastreifen so zögerlich? Scott Ritter spricht von “Nadelstichen”, die alles andere als eine Bodenoffensive seien. Er erklärt das damit, daß Joe Biden dem israelischen Premier inzwischen gesteckt habe, daß dessen Erwartungen an die Effizienz der amerikanischen Unterstützung, welche die USA überhaupt noch anzubieten haben, überzogen gewesen seien. Netanyahu wolle nun auf keinen Fall mehr die Hizbollah und die gesamte Nachbarschaft Israels mit einer veritablen Bodenoffensive zum kollektiven Kriegseintritt gegen Israel ermuntern einerseits, andererseits könne er aber aus innenpolitischen Gründen auch nicht den Eindruck von Untätigkeit erwecken. Deshalb führen eben ein paar Panzer auf und ab, hin und wieder stießen welche in den Gazastreifen vor, um dort eine “begrenzte Mission” durchzuführen. Alles in allem erwecke das Tagesgeschehen jedoch den Eindruck, als sei sich Netanyahu völlig im Klaren darüber, in welcher Zwickmühle er sitzt. Wenn das wahr ist und Netanyahu wirklich begriffen haben sollte, daß er mit einer Bodenoffensive in Gaza einen Weltkrieg und den Untergang Israels auslösen könnte, dann keimt zum ersten Mal Hoffnung in diesen Tagen.

Seltsam unbeantwortet bleibt allerdings nach wie vor die Frage, wieso der Terrorangriff vom 7./8. Oktober überhaupt hatte stattfinden können. Und seltsam ist auch das mangelnde mediale Interesse daran, lieber dieser Frage auf den Grund zu gehen, als der nach der Rechtfertigung für die Vernichtung all jener Palästinenser, die offensichtlich nicht Hamas sind, obwohl der Krieg angeblich gegen die Hamas geführt wird. Bekannt ist nämlich, daß Netanyahu im September vor der UN-Vollversammlung mit einer Israelkarte herumwedelte, auf welcher der Gazastreifen gar nicht mehr existent war. Dazu feixte er, sämtliche “Palästina-Resolutionen”, die von der UN je vorgelegt wurden, seien Blödsinn. Wie hängt das alles zusammen?

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